Der Regenmacher
ich glaube, es hatte etwas mit ihrer netten, irgendwie würdevollen Anzeige im Branchenbuch zu tun. Die Anzeige enthielt ein grobkörniges Schwarzweißfoto von Mr. Long. Wenn es darum geht, die Gegend mit ihren Gesichtern zu bepflastern, sind Anwälte mittlerweile fast so schlimm wie Chiropraktiker. Er schien ein aufrichtiger Mann zu sein, ungefähr vierzig, nettes Lächeln, ganz im Gegensatz zu den meisten anderen Visagen in der Rubrik mit den Anwälten. Seine Kanzlei beschäftigt vier Anwälte, ist auf Verkehrsunfälle spezialisiert, sucht Gerechtigkeit auf allen Wegen, bearbeitet bevorzugt Fälle, bei denen es um Verletzungen und Versicherungen geht, kämpft für ihre Mandanten und kassiert nichts, bevor sie nicht etwas hereingeholt hat.
Zum Teufel, irgendwo muß ich anfangen. Ich finde die angegebene Adresse in einem kleinen, quadratischen, wirklich häßlichen Ziegelsteinbau in der Innenstadt, mit einem gebührenfreien Parkplatz ganz in der Nähe. Das gebührenfreie Parken war in der Anzeige erwähnt. Als ich die Tür aufstoße, läutet ein Glöckchen. Eine dickliche kleine Frau hinter einem übervollen Schreibtisch begrüßt mich mit einer Mischung aus Lächeln und Verärgerung. Ich bin schuld daran, daß sie ihr Tippen unterbrechen mußte.
»Kann ich Ihnen helfen?« fragt sie, wobei ihre dicken Finger nur Zentimeter über den Tasten schweben.
Verdammt, das ist hart. Ich zwinge mich zu einem Lächeln. »Ja, ich wollte fragen, ob ich vielleicht Mr. Long sprechen kann.«
»Er ist beim Bundesgericht«, sagt sie, und zwei Finger hauen auf die Tasten. Ein kleines Wort wird produziert. Nicht einfach irgendein Gericht, sondern das Bundesgericht! Bundesgerichte bedeuten Oberliga, und wenn ein kleiner Feld-Wald-und-Wiesen-Anwalt wie Aubrey Long einen Fall vor dem Bundesgericht hat, dann will er sicher sein, daß alle Welt es erfährt. Seiner Sekretärin fällt die Aufgabe zu, es auszuposaunen. »Kann ich Ihnen helfen?« wiederholt sie.
Ich habe mich entschlossen, es mit radikaler Ehrlichkeit zu versuchen. Finten und Kniffe können warten, aber nicht lange. »Ja, mein Name ist Rudy Baylor. Ich bin Jurastudent im dritten Jahr an der Memphis State, kurz vor der Graduierung, und ich wüßte gern, also, ich suche Arbeit.«
Jetzt ist ihr Lächeln regelrecht höhnisch. Sie hebt die Hände von der Tastatur, dreht ihren Stuhl in meine Richtung, dann beginnt sie, ganz leicht den Kopf zu schütteln. »Wir stellen niemanden ein«, sagt sie mit einer gewissen Befriedigung, als wäre sie der Vorarbeiter unten in der Raffinerie.
»Ich verstehe. Könnte ich Ihnen vielleicht meine Vorstellungsunterlagen hierlassen, zusammen mit einem Brief an Mr. Long?«
Sie nimmt die Papiere so widerstrebend entgegen, als wären sie mit Urin durchtränkt, und läßt sie auf ihren Schreibtisch fallen. »Ich lege sie zu den anderen.«
Ich bringe es tatsächlich fertig, ein leises Auflachen und ein Grinsen zu produzieren.
»Ziemlich viele von uns auf Achse, wie?«
»Ungefähr einer pro Tag, würde ich sagen.«
»Nun ja. Tut mir leid, daß ich Sie gestört habe.«
»Macht nichts«, grunzt sie, sich wieder ihrer Schreibmaschine zuwendend. Als ich mich umdrehe, um das Gebäude zu verlassen, hämmert sie bereits wieder auf die Tasten ein.
Ich habe massenhaft Briefe und massenhaft Vorstellungsmappen. Ich habe das ganze Wochenende damit zugebracht, meinen Papierkram zu organisieren und meinen Feldzug zu planen. Im Augenblick bin ich reich an Strategie und arm an Optimismus. Ich habe vor, das ungefähr einen Monat lang zu tun, täglich zwei oder drei kleine Kanzleien aufzusuchen, an fünf Tagen in der Woche, bis ich graduiere, und dann, wer weiß? Booker hat Marvin Shankle gebeten, die Hallen der Gerechtigkeit auf der Suche nach einem Job zu durchforsten, und Madeline Skinner hängt vermutlich gerade jetzt am Telefon und verlangt von irgend jemandem, daß er mich einstellt.
Vielleicht kommt etwas dabei heraus.
Mein zweiter Besuch gilt einer Drei-Mann-Kanzlei zwei Blocks von der ersten entfernt. Das habe ich so geplant, damit ich schnell von einer Ablehnung zur nächsten komme, ohne viel Zeit zu vergeuden.
Dem Anwaltsverzeichnis zufolge ist Nunley Ross & Perry eine Kanzlei, die sich mit jeder Art von Rechtsfällen befaßt, drei Männer Anfang Vierzig, ohne angestellte Anwälte und Anwaltsgehilfen. Offenbar beschäftigen sie sich vorwiegend mit Grundbuchsachen, einem Gebiet, das ich nicht ausstehen kann, aber jetzt ist nicht die Zeit, heikel zu
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