Der Regenmacher
rechnend.
Die langen Falten auf seiner Stirn quetschen sich zusammen. Er ist tief in Gedanken versunken. »Das schwankt. Hängt davon ab, wieviel Mühe sie sich geben. Einer hat letztes Jahr knapp achtzigtausend gemacht, ein anderer zwanzig.«
»Und du machst dreihunderttausend«, sagt Prince mit einem dröhnenden Lachen.
»Schön war’s.«
Bruiser beobachtet mich genau. Er bietet mir den einzig möglichen Job an, der in Memphis noch zu haben ist, und er scheint zu wissen, daß ich nicht gerade wild darauf bin, ihn anzunehmen.
»Wann kann ich anfangen?« frage ich. Es ist ein verzweifelter Versuch, Eifer zu zeigen.
»Jetzt gleich.«
»Aber das Anwaltsexamen …«
»Machen Sie sich deshalb keine Gedanken. Sie können schon heute mit dem Geldverdienen anfangen. Ich zeige Ihnen, wie man das macht.«
»Sie werden eine Menge lernen«, fällt Prince ein, fast außer sich vor Befriedigung.
»Ich zahle Ihnen noch heute tausend Dollar«, sagt Bruiser wie der letzte der großen Verschwender. »Als Startkapital. Ich zeige Ihnen das Büro und alles, was Sie wissen müssen.«
»Großartig«, sage ich mit einem gezwungenen Lächeln. In diesem Moment ist es völlig unmöglich, mich irgendwie anders zu verhalten. Ich sollte nicht einmal hier sein, aber ich habe Angst, und ich brauche Hilfe. Völlig unangesprochen bleibt das Thema, wie sehr ich bei Bruiser in der Schuld stehen werde. Er ist alles andere als der gutherzige Typ, der hin und wieder den Armen einen Gefallen tut.
Mir ist ein bißchen schlecht. Vielleicht liegt es am Schlafmangel, an dem Schock, von der Polizei geweckt worden zu sein. Vielleicht liegt es auch daran, daß ich hier in diesem Büro sitze und zusehe, wie lebendige Haie herumschwimmen, oder daran, wie ich hier herumgeschoben werde – und zwar von den beiden größten Schiebern der Stadt.
Vor noch gar nicht langer Zeit war ich ein intelligenter, aufgeschlossener Jurastudent im dritten Studienjahr mit einem vielversprechenden Job bei einer anständigen Firma, begierig, meinen Beruf auszuüben, hart zu arbeiten, eine aktive Rolle im hiesigen Anwaltsverein zu spielen, meine Karriere zu starten, all das zu tun, was auch meine Freunde vorhatten. Und jetzt sitze ich hier, so verwundbar und schwach, daß ich mich bereit erkläre, mich für unsichere tausend Dollar im Monat zu prostituieren.
Bruiser nimmt einen dringenden Anruf entgegen, vermutlich eine Oben-ohne-Tänzerin, die wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses im Gefängnis sitzt, und wir erheben uns von unseren Stühlen. Er flüstert mir über den Hörer hinweg zu, daß ich am Nachmittag wiederkommen soll.
Prince ist so stolz, daß er beinahe platzt. Er hat mich, einfach so, von der Todesstrafe errettet und mir einen Job verschafft. So sehr ich mich auch bemühe, ich kann einfach nicht fröhlich sein, während Firestone sich seinen Weg durch den Verkehr bahnt und uns auf dem schnellsten Wege zu Yogi’s zurückbringt.
15
Ich beschließe, mich in der Fakultät zu verstecken. Ich verbringe ein paar Stunden zwischen den Bücherreihen im Keller und wühle mich durch einen Fall von Leistungsverweigerung von Versicherungen nach dem anderen hindurch. Ich schlage Zeit tot.
Ich fahre langsam in Richtung Flughafen und komme um halb vier bei Bruisers Kanzlei an. Die Gegend ist schlimmer, als sie ein paar Stunden zuvor aussah. Die Straße ist fünfspurig und gesäumt von Leichtindustrie und Frachtterminals sowie dunklen kleinen Kneipen und Clubs, in denen die Arbeiter Abwechslung suchen. Sie liegt genau in der Einflugschneise, und über meinem Kopf dröhnen Düsenflugzeuge.
Bruisers kleines Einkaufszentrum heißt Greenway Plaza, und während ich auf dem mit Müll übersäten Parkplatz in meinem Wagen sitze, sehe ich außer der Reinigung und dem Videoverleih noch einen Schnapsladen und ein kleines Cafe. Obwohl es in Anbetracht der geschwärzten Fenster und verriegelten Türen schwer zu sagen ist, scheint es doch so, als erstreckte sich die Kanzlei über sechs oder sieben Abschnitte im Zentrum der Häuserzeile. Zähneknirschend öffne ich die Tür.
Die in Jeans steckende Sekretärin ist auf der anderen Seite der brusthohen Trennwand zu sehen. Sie hat gebleichtes Haar und eine bemerkenswerte Figur, deren Kurven prächtig zur Schau gestellt sind.
Ich erkläre ihr meine Anwesenheit. Ich erwarte, abgewiesen und zum Gehen aufgefordert zu werden, aber sie ist höflich. Mit einer beiläufigen, intelligenten Stimme, überhaupt nicht flittchenhaft, fordert sie
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