Der Regenmacher
ein schmächtiger kleiner Mann steckt den Kopf herein. »Rudy?« sagt er mit hoher, nervöser Stimme.
»Ja, kommen Sie herein.«
Er schiebt sich durch den schmalen Spalt und schleicht sich regelrecht zu dem Stuhl auf der anderen Seite meines Schreibtischs. »Ich bin Deck Shifflet«, sagt er und setzt sich, ohne einen Händedruck oder ein Lächeln zu offerieren. »Bruiser hat gesagt, Sie hätten einen Fall, über den Sie reden möchten.« Er schaut über die Schulter, als hätte vielleicht jemand nach ihm das Zimmer betreten und hörte jetzt zu.
»Nett, Sie kennenzulernen«, sage ich. Es ist schwer zu sagen, ob Deck vierzig ist oder fünfzig. Der größte Teil seines Haars ist verschwunden, und die paar noch vorhandenen Strähnen sind mit viel Öl an seinen breiten Schädel geklatscht. Die Stellen um seine Ohren herum sind dünn und überwiegend grau. Er trägt eine kantige Drahtbrille mit ziemlich dicken und schmutzigen Gläsern. Es ist im übrigen schwer zu sagen, ob sein Kopf zu groß oder sein Körper zu schmächtig ist, aber beides paßt nicht zusammen. Seine Stirn ist in zwei runde Hälften unterteilt, die ziemlich genau in der Mitte zusammentreffen, wo eine tiefe Falte sie verbindet und dann zu seiner Nase hinabstürzt.
Deck ist einer der unattraktivsten Menschen, die mir je begegnet sind. Sein Gesicht ist von Teenagerakne verheert. Sein Kinn existiert praktisch nicht. Wenn er redet, verzieht sich seine Nase, und seine Oberlippe hebt sich und entblößt vier Schneidezähne, alle gleich groß.
Der Kragen seines zweitaschigen und angeschmutzten weißen Hemdes ist ausgefranst. Der Knoten seiner schlichten roten Strickkrawatte ist so groß wie meine Faust.
»Ja«, sage ich und versuche, nicht in die beiden riesigen Augen zu schauen, die mich durch die dicken Gläser hindurch mustern. »Es ist ein Versicherungsfall. Sind Sie einer der angestellten Anwälte hier?«
Die Nase und die Lippen stoßen aneinander. Die Zähne funkeln mich an. »Sozusagen. Nicht wirklich. Sehen Sie, ich bin kein Anwalt, noch nicht. Habe Jura studiert und all das, aber ich habe kein Examen gemacht.«
Ah, eine verwandte Seele. »Ach, wirklich«, sage ich. »Wann waren Sie mit dem Studium fertig?«
»Vor fünf Jahren. Sehen Sie, ich habe ein paar Probleme mit dem Anwaltsexamen. Ich habe es sechsmal versucht.«
Das ist nicht, was ich hören möchte. »Wow«, murmele ich. Ich habe wirklich nicht gewußt, daß sich jemand so oft zum Examen melden kann. »Tut mir leid, das zu hören.«
»Wann ist es bei Ihnen soweit?« fragt er und schaut sich abermals nervös um. Er sitzt auf der Kante seines Stuhls, als rechnete er damit, jeden Moment aufspringen zu müssen. Daumen und Zeigefinger seiner rechten Hand zupfen an der Haut auf dem Rücken seiner linken.
»Im Juli. Ziemlich hart, nicht wahr?«
»Ja, ziemlich hart, würde ich sagen. Seit einem Jahr habe ich mich nicht mehr angemeldet. Weiß nicht, ob ich es jemals wieder versuchen werde.«
»Wo haben Sie studiert?« frage ich, weil er mich ziemlich nervös macht. Ich bin nicht sicher, ob ich über den Fall Black reden möchte. Wie paßt er ins Bild? Wie sieht sein Anteil aus?
»In Kalifornien«, sagt er mit dem heftigsten Gesichtszucken, das ich je gesehen habe. Die Augen öffnen und schließen sich. Die Brauen tanzen. Die Lippen flattern. »In Abendkursen. War damals verheiratet, habe fünfzig Stunden die Woche gearbeitet. Hatte nicht viel Zeit zum Lernen. Fünf Jahre habe ich gebraucht bis zur Graduierung. Meine Frau hat mich verlassen. Bin dann hierhergezogen.« Seine Sätze werden immer kürzer, dann verstummt er und läßt mich ein paar Sekunden hängen.
»Ja, und seit wann arbeiten Sie für Bruiser?«
»Seit fast drei Jahren. Er behandelt mich wie die übrigen Anwälte. Ich treibe die Fälle auf, bearbeite sie, gebe ihm seinen Anteil. Alle sind glücklich. Wenn Versicherungsfalle hereinkommen, bittet er gewöhnlich mich, sie zu bearbeiten. Ich habe achtzehn Jahre für Pacific Mutual gearbeitet. Hatte es satt. Hab angefangen zu studieren.« Er verstummt wieder.
Ich beobachte ihn und warte. »Was passiert, wenn Sie vor Gericht gehen müssen?«
Er grinst verlegen, als wäre er in Wirklichkeit ein toller Hecht. »Also, ein paarmal bin ich selbst hingegangen, wirklich. Bisher bin ich noch nicht erwischt worden. Hier gibt es so viele Anwälte, da ist es unmöglich, alle zu kennen. Wenn es zu einem Prozeß kommt, geht Bruiser für mich hin. Oder einer der anderen Anwälte
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