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Der Regler

Der Regler

Titel: Der Regler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Landorff
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annahm, würde das Verfahren in Deutschland eingestellt, die Anschuldigungen seien letztlich nicht haltbar. »Solltest du jedoch auf den Gedanken kommen, dieses Haus jemals für länger zu verlassen und irgendwo anders leben zu wollen, werde ich diese Beweise an die Polizei und die Presse geben. Du hast bis morgen früh Zeit, dir den Vorschlag zu überlegen.«
    Gabriel Tretjak war zur Tür gegangen, ohne sich zu verabschieden. Paul Tretjak war sitzen geblieben und hatte gesagt: »Kannst du mir bitte noch erklären, warum du das tust?«
    »Ja«, hatte der Sohn geantwortet, ohne sich umzudrehen, »das kann ich. Ich will ganz sicher sein, dass du für immer aus meinem Leben verschwindest. Und es gibt mir ein gutes Gefühl, dass ich dieses Mal weiß, wo du bist.« Das war das letzte Mal gewesen, dass sie sich gesehen hatten. Um es genau zu sagen: Der Vater sah den Rücken des Sohnes, und dann die zugehende Tür.
    Als Paul Tretjak am Ende mit dieser Geschichte war, hatte er zwei Grappa bestellt, für sich einen doppelten. »Jetzt weißt du, was ich wirklich bin. Ich bin schon lange ein toter Mann. Eine Marionette, an ein paar Fäden hängend, die von meinem rachsüchtigen Sohn gezogen werden. Ich bin eine impotente Marionette.«
    Charlotte Poland spürte von diesem Moment an eine große Nähe zu Tretjak. Sie kannte das Gefühl, eine Marionette zu sein, an den Fäden ihres Sohnes zu hängen. Und ihr gefiel der neue Blickwinkel auf Paul Tretjak. Bislang hatte sie in ihm immer in erster Linie den in die Jahre gekommenen Charmeur gesehen, jetzt war da auch diese Tragik, diese Schwere. Seine Haltung, das Ausweglose zu ertragen.
    Sie fuhren über die Garmischer Autobahn nach München ein. Auf den letzten Kilometern der Autobahn sah man die Meter für Meter größer werdenden Türme der Frauenkirche. Man fuhr direkt auf das Münchner Wahrzeichen zu, eine hübsche Idee der Autobahnbauer. Auf etwas zufahren: Vielleicht ließ sich Charlotte Poland auch davon in ihrer Stimmung anstecken. Die Situation hatte etwas von einem Western, fand sie. Sie ließen zwei Söhne aufeinanderzutreiben, bis es zu einer Art Showdown kam. Na ja, dachte sie, ein bisschen übertrieben, beinahe war ihr der Vergleich vor sich selbst peinlich. Aber was soll’s, sie mochte nun mal dramatische Kategorien.
    Sie sprachen wenig auf der Autobahn. Nur einmal fragte Charlotte nach Pauls neuer Freundin. Sehr jung, noch keine dreißig. Er hatte von ihr erzählt. »Na, wie läuft es mit deiner jungen Prinzessin?« »Gut«, sagte er. »Ich glaube, sie liebt mich. Es ist einfach schön, wenn wir zusammen sind.« Er wurde pathetisch: »Sie ist ungeheuer intensiv, und dabei irgendwie …«
    »Sag jetzt nicht: irgendwie verletzlich«, unterbrach sie ihn.
    »… wie ein Reh …«
    Sie mussten beide lachen und schwiegen dann.
     
    Der erste Termin fand bei der Bank statt, Filiale Sendlinger Straße. Es war einmal eine eingesessene Münchner Bank gewesen, dann hatte sie mit einer anderen Bank fusioniert und war schließlich von einer italienischen Großbank geschluckt worden. Charlotte Poland hatte den Termin um 16 Uhr, ein Gespräch mit dem Kundenberater Borbely. Herr Borbely hatte keine Ahnung, dass dies ein besonderes Gespräch werden würde, ihm war eine vermögende Frau angekündigt worden, die Geld anlegen wollte. Herr Borbely war klein und schwammig, und schwammig war auch sein Händedruck. Sie nahmen in einem schmalen Besprechungszimmer Platz.
    »Was kann ich für Sie tun, Frau Poland?«
    »Ich will gleich zum Punkt kommen. Ich bin wegen meines Sohnes hier. Sie kennen ihn, er ist vierzehn, und er heißt Lars. Er ist verschwunden, und ich will ihn wiederhaben. Und zwar schnell.«
    Herr Borbely räusperte sich. »Ich verstehe überhaupt nicht, was Sie meinen. Entschuldigen Sie bitte, das muss ein Irrtum sein.«
    »Herr Borbely, ich bin in großer Sorge und nicht an irgendwelchen Spielchen interessiert. Ich mache Ihnen einen Vorschlag. Wenn mein Sohn bis morgen Mittag vor mir steht, dann bekommen Sie zehntausend Euro von mir. Wenn nicht, informiere ich Ihre Bank darüber, was Sie so alles treiben.«
    »Frau Poland, ich denke, wir müssen das Gespräch jetzt beenden.« Der schwammige Mann versuchte, hart zu klingen. »Ich verstehe kein einziges Wort.«
    »Gut, Herr Borbely. Wenn es so ist, möchte ich mit Ihrem Filialleiter über das Konto 678678678 sprechen.«
    Der schwammige Mann wurde wieder weich. »Bitte, Frau Poland, ich wollte nicht unfreundlich wirken. Wo

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