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Der Regler

Der Regler

Titel: Der Regler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Landorff
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alte Tretjak selbst habe ihn gewusst, sagte er. Er habe es immer nur bei einem Spitznamen genannt, »das böse Restaurant« oder so ähnlich. Aber man könne es nicht verfehlen. Rainer Gritz machte sich auf den Weg und merkte, dass er richtig Hunger hatte.

2
    Professor Entschiedenheit betrat das Zimmer, so nannte er ihn. Maler hatte noch nie einen entschiedener wirkenden Menschen kennengelernt. Es gab keinen Zweifel, kein Zaudern, nur: So machen wir das. Auch ihre erste Begegnung vor knapp sieben Jahren war so ausgefallen. Der Professor hatte ihm gegenübergesessen, die Krankenakte durchgeblättert, ein paar Fragen gestellt und dann gesagt: »Sie sind mein Patient.«
    Sein Patient zu sein bedeutete: Sie sind der Mann, dem ich das alte Herz herausreißen und ein neues einpflanzen werde. Sie sind der Mann, dem ich das Leben rette. Sie müssen nur tun, was ich Ihnen sage. Der Professor war einer der besten Herzchirurgen der Welt. Nichts an ihm ließ vermuten, dass er dies nicht wusste.
    Der Professor hatte nicht geklopft, bevor er eintrat. Cowboys klopfen nicht an, pflegte er zu sagen. Einmal war Maler an einem kalten Wintertag mit ihm ein paar hundert Meter zu einem Lokal gegangen. Als er den Professor fragte, warum er keinen Mantel dabeihabe, war die Antwort des Professors – er hätte es ahnen können: »Ein Cowboy braucht keinen Mantel.«
    Jetzt stand er an seinem Bett. Abstoßung, 1b. Die erste, geringste Stufe, ab 2a werde es bedenklich, meinte der Professor. Kein Grund zur Sorge, aber man müsse natürlich aufpassen. Und sich fragen, warum das jetzt passiere. Er habe sich mit seinen Kollegen beraten, sagte der Professor, und sie hätten beschlossen, die Medikation zu ändern. Er zog ein Schächtelchen aus der Tasche seines weißen Kittels und gab es Maler. »Cellcept hemmt die Immunabwehr noch stärker. Nehmen Sie das mal die nächste Zeit.«
    »Nein«, sagte Maler, »das nehme ich nicht.« Er wusste genau, wie wenig der Professor das Wort »Nein« aus dem Mund eines Patienten schätzte, deshalb fügte er sofort hinzu: »Ich kenne Cellcept, ich vertrage es nicht. Das letzte Mal habe ich Magenbluten bekommen und bin auf der Intensivstation gelandet. Das war vor zwei Jahren. Als ich das Medikament absetzte, ging es mir schnell wieder besser.«
    Der Professor steckte das Schächtelchen wieder in seine Tasche. »Warum wissen meine Kollegen das nicht? Schlamperei. Ich werde das besprechen. Dann nehmen Sie das natürlich nicht.«
    Maler hätte gern zugehört, wie eine solche Besprechung ablief. Die Arroganz des Professors gegenüber seinen Medizinerkollegen war beachtlich, das hatte er schon öfter mitbekommen. Erst kam der Chirurg, dann kam lange, lange nichts.
    »Haben Sie besonderen Stress gerade?«, fragte der Professor.
    »Ich muss einen Serienmörder fangen«, sagte Maler, »sonst nichts.«
    »Das ist doch Ihr Job«, sagte der Professor, »Mörder fangen. Ich meine: Gibt es etwas anderes, etwas wirklich Besonderes?« Er sei ja nun bekanntlich kein großer Anhänger der Psyche, »schon weil man sie so schlecht operieren kann.« In seinem Mundwinkel zeigte sich der Anflug eines Lächelns. »Aber es gibt verschiedenste Studien, die belegen, dass bei transplantierten Patienten eine Verbindung zwischen außerordentlichen Stresssituationen und Abstoßungsreaktionen des Körpers besteht. Also, ist da was bei Ihnen?«
    »Nein, da ist nichts«, sagte Maler. Er wusste, dass es nicht stimmte. Er hatte die schmale Akte sogar schnell in die Tasche zu den Unterhosen und dem Bademantel gepackt, als er die Nachricht bekommen hatte, er müsse wegen der Abstoßungsreaktion sofort für ein paar Tage in die Klinik. Die Akte Laura Müller. Die Frau, deren Herz er in sich trug. Nachdem ihn Tretjak mit dem Namen seiner Spenderin überrascht hatte, hatte er Informationen über sie zusammengetragen. Ein paar Anrufe bei Kollegen gemacht, die damals den Verkehrsunfall protokolliert und die Eltern informiert hatten. Das erschütterndste Dokument fand Maler im Internet. In einer Zeitung zum Jubiläum ihrer Schule erinnerten Mitschüler an Laura Müller. Jeder schrieb etwas über Laura, die gerne tanzte, Jazz hörte, ziemlich kühl dauernd irgendwelche Verliebte zurückwies, die ins Ausland wollte, nach Südamerika, die Kinder wollte und viele Männer, die dauernd lachte und einen Freund hatte, den dicken, aber sehr schlauen Max, den sie sehr liebte.
    »Kein Stress also. Ach ja«, sagte der Professor, »das hatte ich vergessen, Herr

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