Der reiche Mann
glücklich machen wollte, aber er hatte sich kaum einen Tag entfernt, da betrog sie ihn schon mit Theo Porchet.
Der hatte nicht einmal versucht, sie zu verteidigen, und Doudou mimte die Szene. Während er das junge Mädchen erwürgte, war der Klempner geflüchtet.
Doudou tat so, als liefe er in alle Richtungen. Das sollte heißen, er habe ihn überall gesucht, und er drückte mit seinen Händen eine unsichtbare Kehle zu.
Er hatte versucht, Theo zu erwischen, unter anderem bei Mimile, wo er sogar in die Küche gegangen war.
Aber er hatte ihn nicht gefunden. Porchet hatte sich gewiß in seiner Angst irgendwo versteckt.
Doudou breitete die Arme aus, als ob er sagen wolle: ›Das ist alles.‹
Dann blickte er seinen Herrn an, und dicke Tränen flossen aus seinen wimperlosen Augen.
Eine Weile schwiegen alle, schließlich sagte der Wachtmeister: »Soll ich ihm Handschellen anlegen?«
Der Hauptmann zuckte die Schultern, als ob er sagen wolle, ihm sei das gleich.
Doudou wollte keinen Fluchtversuch machen. Er stand dort mit gesenktem Kopf und versuchte zu verstehen.
Als der Gendarm die Handschellen, die für seine Handgelenke fast zu klein waren, schloß, schüttelte er nur die Hände, und schon riß die Kette.
Er wollte damit zeigen, daß er fliehen konnte, aber er würde nicht fliehen. Es war nicht nötig, ihn wie ein Tier zu fesseln.
»Was soll ich tun, Hauptmann?«
»Nichts. Sie bleiben bei ihm, bis ich herunterkomme.«
Lecoin folgte ihm die Treppe hinauf und der Arzt ebenfalls.
Als sie in dem Zimmer waren, sagte Dr. Bourseau: »Ich brauche Ihnen jetzt nichts mehr zu erklären.«
Er ging auf das Bett zu und hob den Kittel hoch. Alice hatte keine Unterwäsche an.
»Ich möchte wetten, der Taubstumme hat den Kittel heruntergezogen.«
Lecoin blickte zu dem Waschzuber hin, der in einer Ecke stand und in dem Alice vorgestern im Seifenwasser gehockt hatte.
»Was machen Sie mit ihr?« fragte der Arzt.
»Ich muß sie für die Autopsie ins Schauhaus bringen lassen.«
Victor fuhr zusammen. Dieses Wort beschwor Bilder, die ihm weher taten, als wenn sich ein Skalpell in seinen Körper gebohrt hätte.
»Ist das notwendig?« fragte er.
»Unbedingt. Zumal da der Täter nur durch Gesten ein Geständnis abgelegt hat. Kann er die Taubstummensprache nicht?«
»Nein. Er ist nie aus dem Dorf herausgekommen, außer wenn er mit mir nach La Rôchelle fuhr.«
Er konnte Doudou nicht böse sein. Vielleicht hätte er an seiner Stelle unter dem Schock einer solchen Entdeckung das gleiche getan.
Er war auch Alice nicht böse. Er erinnerte sich ihres Schweigens, ihres Körpers, der gar nicht reagierte, wenn er sie am Tag umarmen wollte.
Sie wußte nicht, was Liebe ist.
»Ich muß jetzt die Staatsanwaltschaft benachrichtigen.«
Sie gingen alle drei wieder hinunter. Der Hauptmann deutete auf Doudou.
»Führen Sie ihn zum Auto.«
Es war ein kleines graues Auto, an dessen Steuer ein Gendarm saß.
»Hallo… Ja, Herr Staatsanwalt. Hier spricht Hauptmann Dartois. Ich muß Ihnen einen Mord in Marsilly melden. Bei Victor Lecoin, dem Muschelzüchter. Nein, er hat nichts damit zu tun. Wir haben den Schuldigen, einen Taubstummen, der nicht ganz bei Trost zu sein scheint.«
Doudou ließ sich abführen wie ein Hund, den seine Herrschaft nicht mehr haben will. Und bis zuletzt blieb sein Gesicht Lecoin zugekehrt.
Er bat ihn um Verzeihung, aber er wußte eigentlich nicht, wofür. Es gab Dinge, die über seinen kleinen Verstand gingen.
Jeanne war dabei, die Gläser neu zu füllen. Sie vergaß ihre Hausfrauenpflichten nicht. In ihrem Büro telefonierte der Hauptmann, in dem Büro, in dem sie schon morgen wieder ihren Platz einnehmen würde so wie heute abend im Ehebett.
Hinter dem Tor standen Neugierige.
»Der Staatsanwalt, der Untersuchungsrichter und der Protokollführer werden bald kommen. Ich warte auf sie, aber der Wagen kann schon abfahren. Sie begleiten ihn, Wachtmeister, und bewachen den Taubstummen.«
»Er wird nicht ausreißen«, murmelte Lecoin.
»Ich muß mich an die Vorschriften halten. Morgen vormittag werde ich Sie bitten, in meinem Büro vorbeizukommen, wo er, wenn man so sagen kann, sein Geständnis wiederholen wird. Sie werden noch einmal seine Gesten für das Protokoll erklären müssen.«
»Glauben Sie, daß er verurteilt werden wird?«
»Nein. Aber man wird ihn bestimmt für den Rest seiner Tage in einer Heilanstalt unterbringen. Er ist gefährlich. Er gesteht selbst, daß er den gesucht hat, den Sie Theo
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