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Der reiche Mann

Der reiche Mann

Titel: Der reiche Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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Schirm. Man hörte auf der Straße Schritte und Stimmen. Draußen ging das Leben seinen alltäglichen Gang, und manchmal ließ ein Schiff, das in den Hafen zurückkehrte, seine Sirene ertönen. Es war Flut, und die Fischdampfer kamen einer nach dem anderen zurück.
    In Wirklichkeit reizte ihn keins der drei Mädchen, aber da er nun einmal hier war, konnte er nicht kneifen.
    »Kommst du oft her?«
    »Ja.«
    »Nimmst du immer drei?«
    »Ich nehme, was da ist.«
    Ehe er die eine befriedigt hatte, vergnügte er sich mit der zweiten, der kleinen Dicken, und es kam ihm fast sofort.
    »Komm, trink.«
    Er hatte das Glas vorher ausgetrunken, und man reichte es ihm neu gefüllt.
    Sie glaubten, er rieche den Braten nicht, aber er wußte nur allzu gut, daß sie versuchten, ihn betrunken zu machen.
    Bis acht ging das so weiter, und als er die Treppe wieder hinunterstieg, achtete er genau auf jede Stufe.
    »Zufrieden?«
    »Warum nicht?«
    »Waren sie nett?«
    »Sie haben getan, was sie konnten. Was schulde ich dir?«
    »Sieben Flaschen und zwei Cognacs.«
    Sie rechnete es auf einem Zettel aus und schob ihn ihm zu, und er zog die dicke Brieftasche heraus.
    »Hast du immer Geld wie Heu!« sagte sie.
    Das machte ihm Spaß. Er mußte sich stets irgendwie überlegen fühlen, und seine Größe und Kraft genügten ihm nicht. War nicht Doudou ebenso stark wie er, wenn nicht stärker? Aber der war nur ein armer Teufel.
    »Hast du keinen Hunger?«
    »Ich werde einen Happen essen, wenn ich nach Hause komme.«
    »Sieht man dich bald wieder, Victor?«
    »Vielleicht.«
    Wenn es ihn danach gelüsten würde. Als er die Bar verließ, war es draußen schon dunkel, und die Laternen brannten. Ehe er in seinen Lastwagen stieg, überquerte er den Kai und blieb eine ganze Weile am Ufer stehen und betrachtete die kleinen Fischerboote, die zu seinen Füßen schaukelten.
    Das Meer hob und senkte sich langsam wie die Brust eines Schläfers, aber es waren keine richtigen Wellen, und die Lichter des Kais spiegelten sich unendlich weit.
    Mit sechzehn oder siebzehn Jahren, er wußte es nicht mehr genau, hatte er daran gedacht, Hochseefischer zu werden. Aber in Marsilly waren alle Muschelzüchter oder Bauer, ja oft beides zugleich. Er hatte es wie die anderen gemacht und hatte keinen Grund, sich darüber zu beklagen.
    In der Nähe der großen Uhr war ein strahlend erleuchtetes Café, und da das Wetter ziemlich mild war, hatte man wie im Sommer das große Fenster weit geöffnet. Und wie im Sommer drängten sich alle auf die Terrasse.
    Es lockte ihn, hineinzugehen. Er wußte nicht, was er bestellen sollte, aber dann murmelte er schließlich: »Einen Cognac.«
    Für gewöhnlich begnügte er sich mit zwei Flaschen Wein pro Tag. Wenn es sehr heiß war, trank er manchmal auch drei, aber er war nie betrunken.
    Wenn er in Stimmung war wie heute, zählte er die Gläser und Flaschen nicht mehr. Im ersten Stock war ein Restaurant. Auch hier saßen Kartenspieler, aber nicht von der Art wie die in Marsilly oder Charron. Es waren Beamte oder Geschäftsleute, die Bridge spielten, und der Wirt stand, eine Serviette in der Hand, hinter einem, um das Spiel zu beobachten.
    Als er seine Augen durch das Café schweifen ließ, bemerkte Lecoin eine junge Frau, die allein vor einem Glas Vermouth saß. Er hatte sie noch nie gesehen. In ihrem sehr schlichten Kostüm wirkte sie wie eine brave Kleinbürgerin, die auf ihren Mann wartet.
    Er war überrascht, als sie ihn ebenfalls fixierte. Er wandte daraufhin den Blick ab, aber als er dann doch wieder zu ihr hinsah, war es ihm, als lächle sie ihm diskret zu.
    Sie war viel reizvoller als die drei Mädchen bei Nenette, und er ärgerte sich, daß er seinen Nachmittag dort vertan hatte. Sie trug eine weiße, plissierte Hemdbluse, die die Jugend und Frische ihres Gesichts unterstrich.
    Er konnte nicht zu ihr an den Tisch gehen. Er war jetzt sicher, daß sie ihn ermutigend anlächelte. Darum deutete er mit dem Kopf auf den Kai, um ihr zu verstehen zu geben, daß er sie dort erwartete.
    Dann zahlte er, ging hinaus, ließ die Lichter des Cafés hinter sich, die ein großes Stück des Gehsteigs erleuchteten. Noch nicht drei Minuten später erschien sie und spähte nach ihm aus.
    »Ich bin hier.«
    »Ach gut. Ich war nicht sicher, ob ich’s richtig verstanden hatte. Wohin gehen wir?«
    »Kennen Sie ein Hotel?«
    »Ich bin nicht von hier.«
    »Sind Sie nur vorübergehend in La Rochelle?«
    »Ich bin aus Paris gekommen, um meine Mutter, die im

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