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Der Reisende

Der Reisende

Titel: Der Reisende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orson Scott Card
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schwach, daß ich bald ohnmächtig werde.«
    »Nun, kotzt nicht auf den Boden, ich müßte es die ganze Nacht über riechen.« Dann grinste Alvin.
    »Ich dachte eher daran, ohnmächtig zu werden«, sagte Verily. »Also darf weder Makepeace den Pflug berühren, noch jemand anders, der in einer … schwarzen Lüge lebt. Da frage ich mich, was es mit meinem Gegner auf sich hat, Mr. Daniel Webster.«
    »Kenne ihn nicht«, sagte Alvin. »Nach allem, was ich weiß, könnte er ein ehrlicher Mann sein. Ein Lügner könnte doch einen ehrlichen Anwalt haben, meint Ihr nicht auch?«
    »Vielleicht«, sagte Verily. »Doch solch eine Kombination würde nur dazu führen, daß der Lügner sich am Ende selbst vernichtet.«
    »Zum Teufel, Verily, ein Lügner vernichtet sich am Ende so oder so stets selbst.«
    »Wißt Ihr das genau? Ich meine, so wie Ihr wißt, daß der Pflug lebt?« fragte Verily.
    »Leider nicht, schätze ich«, erwiderte Alvin. »Aber ich muß daran glauben, daß es stimmt. Wie könnte ich sonst noch irgend jemandem vertrauen?«
    »Ich glaube, auf lange Sicht habt Ihr recht«, sagte Verily. »Auf lange Sicht verknotet eine Lüge sich, und irgendwann merken die Leute, daß es eine Lüge ist. Aber die lange Sicht ist sehr, sehr lang. Länger als das Leben. Ihr könntet tot sein, bevor die Lüge stirbt, Alvin.«
    »Warnt Ihr mich vor etwas Besonderem?« fragte Alvin.
    »Ich glaube nicht«, sagte Verily. »Die Worte klangen einfach so, als müßte ich sie sagen und als müßtet Ihr sie hören.«
    »Ihr habt sie gesagt. Ich habe sie gehört.« Alvin grinste. »Gute Nacht, Verily Cooper.«
    »Gute Nacht, Alvin Smith.«
    Peggy Larner ging in aller Herrgottsfrühe zur Fähre. Sie trug ihre Dringlichkeit wie ein enges Korsett, so daß sie kaum atmen konnte. Der weiße Mörder Harrison würde Präsident der Vereinigten Staaten werden. Sie mußte mit Alvin sprechen, und dieser Fluß, der Hio, stand ihr im Weg.
    Aber die Fähre war auf der anderen Seite des Flusses, was natürlich völlig logisch war, da die Farmer auf der anderen Seite sie als erste benutzen mußten, um ihre Waren auf den Markt zu bringen. Also mußte sie warten, Dringlichkeit hin oder her. Sie sah, daß die Fähre bereits hinübergestakt wurde, befestigt an einem Metallring, der an dem Kabel entlangglitt, das auf etwa vierzig Fuß Höhe den Fluß überquerte. Lediglich diese zerbrechliche Verbindung verhinderte, daß das ganze Ding den Fluß hinabgespült wurde; und sie konnte sich durchaus vorstellen, daß an manchen Tagen, an denen der Fluß Hochwasser führte, die Fähre überhaupt nicht verkehrte, denn selbst, wenn das Kabel stark genug war, und der Ring, und das Tau, so gab es in der Nähe doch keine Bäume, die so stark waren, daß man die Enden des Taus um sie binden konnte, ohne Angst zu haben, der eine oder der andere würde aus der Erde gezogen werden. Wasser ließ sich nicht mit Kabeln, Ringen oder Tauen zähmen, genauso wenig wie mit Dämmen oder Brücken, Schiffen oder Flößen, Rohren oder Regenrinnen, Dächern oder Fenstern oder Mauern oder Türen. Wenn sie in ihren frühen Jahren, in denen sie auf Alvin acht gegeben hatte, irgend etwas gelernt hatte, dann, daß Wasser hinterhältig war und man ihm nicht vertrauen konnte.
    Aber sie mußte den Fluß überqueren, und überqueren würde sie ihn.
    Wie so viele andere ihn überquert hatten. Sie dachte daran, wie oft ihr Vater sich zum Fluß geschlichen und mit einem Boot übergesetzt hatte, um irgendeinen entlaufenen Sklaven zu retten und ihn nach Norden in Sicherheit zu bringen. Sie dachte daran, wie viele Sklaven ohne Hilfe zu diesem Wasser gekommen und, da sie nicht schwimmen konnten, entweder verzweifelt waren und einfach gewartet hatten, bis die Sucher und ihre Hunde sie einholten, oder trotzdem in den Fluß gegangen waren, bis das Wasser ihnen zur Brust reichte und ihre Füße keinen Halt mehr auf dem schlammigen Boden fanden und sie weggerissen wurden. Die Leichen dieser Unglücklichen fand man dann stets ein Stück flußabwärts am Ufer oder in einer Untiefe oder Windung, vom Wasser gebleicht, aufgedunsen und vom Tod schrecklich entstellt. Aber der Geist, ah, der Geist war frei, denn der Besitzer, der geglaubt hatte, er würde den Mann oder die Frau besitzen, dieser Besitzer hatte sein Eigentum verloren, denn sein Eigentum wollte kein Eigentum mehr sein, ganz gleich, was es kostete. Also tötete das Wasser, ja, aber für jene, die den Mut oder den Zorn hatten, diesen Weg einzuschlagen, war

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