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Der Reisende

Der Reisende

Titel: Der Reisende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orson Scott Card
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und er konnte von Geburt an vollbringen, wozu Measure nur nach stunden- oder gar tagelanger Bemühung fähig war. Er verschloß ein Buch, als wäre es ein einziger Block aus Holz und Stoff, und öffnete es dann wieder, ohne eine einzige Seite zu beschädigen, und die Buchstaben klebten noch immer auf dem Papier. Das war Schöpfen.
    Was konnte er Verily beibringen? Er war wissend geboren worden. Und wie konnte er hoffen, denen etwas beizubringen, die nicht wissend geboren waren? Und wie konnte er überhaupt etwas lehren, wenn er nicht wußte, wie er den Kristall schaffen sollte, aus dem die Stadt bestehen würde?
    Man kann eine Stadt nicht aus Glas erbauen; sie würde zerbrechen, könnte kein Gewicht aushalten. Man kann sie auch nicht aus Eis bauen, weil dieser Stoff nicht klar genug ist, und was wäre im Sommer? Diamanten … sie wären stark genug, aber eine aus Diamanten bestehende Stadt … selbst, wenn er so viele finden oder erschaffen könnte, die Menschen würden nicht zulassen, daß er ein so wertvolles Material zum Bauen verwendete. Man würde die Stadt sehr schnell einreißen, und jeder würde versuchen, ein Stück Wand zu stehlen, um reich zu werden, und ziemlich bald würde das ganze Ding wie ein Schweizer Käse aussehen, mehr Löcher als Mauern.
    Oh, Alvin konnte seine Gedanken um diese Fragen kreisen lassen, durch Erinnerungen und Worte aus Büchern, die er gelesen hatte, als Miss Larner – als Peggy – ihn unterrichtet hatte. Er konnte seinen Geist in der Einsamkeit beschäftigen und hatte nicht das geringste gegen das Alleinsein, obwohl er auch nichts dagegen hatte, wenn Arthur Stuart ihn besuchte, um über die Vorgänge draußen zu sprechen.
    An diesem Tag jedoch tat sich einiges. Verily Cooper mochte diese und jene Anträge abschmettern, aber obwohl er ein guter Anwalt war, kam er aus England und wußte nicht, wie die Dinge hier gehandhabt wurden, konnte er Fehler machen, und auch wenn er welche machte, konnte Alvin nicht das geringste daran ändern. Er mußte anderen Leuten einfach vertrauen, und das konnte er nicht ausstehen.
    »Niemand kann das ausstehen«, sagte eine Stimme, eine so vertraute Stimme, eine Stimme, von der er geträumt, nach der er sich gesehnt hatte, mit der er in seiner Erinnerung oft debattiert und in seiner Phantasie oft gestritten hatte; eine Stimme, von der er träumte, daß sie ihm in der Nacht und am Morgen sanft zuflüsterte.
    »Peggy«, flüsterte er und öffnete die Augen.
    Da war sie, sah genauso aus, als hätte er sie heraufbeschworen, aber sie war echt, er hatte keinen Zauber bewirkt.
    Seine Manieren fielen ihm wieder ein, und er stand auf. »Miss Larner«, sagte er. »Es ist sehr freundlich von Euch, mich zu besuchen.«
    »Weniger freundlich als notwendig«, sagte sie, und ihr Tonfall klang ganz sachlich.
    Sachlich. Er seufzte innerlich.
    Sie sah sich nach einem Stuhl um.
    Er ergriff den Stuhl, der in der Zelle stand, und gab ihn ihr impulsiv, ohne nachzudenken, einfach durch die Gitterstäbe. Er bemerkte kaum, wie er die Eisenstäbe und die Holzlatten auseinander bewegte, damit sie einander hindurchließen; erst als er Peggys große, große Augen sah, wurde ihm klar, daß sie natürlich noch nie gesehen hatte, wie jemand einen Holzstuhl einfach so durch ein Eisengitter befördert.
    »Tut mir leid«, sagte er. »Ich habe so etwas noch nie getan, ohne Vorwarnung, meine ich.«
    Sie nahm den Stuhl. »Das war sehr aufmerksam von Euch«, sagte sie. »Mir einen Stuhl zu geben.«
    Er setzte sich auf die Pritsche. Sie ächzte unter ihm. Hätte er das Material nicht gehärtet, hätte es schon vor Tagen unter seinem Gewicht nachgegeben. Er war ein großgewachsener Mann und an ziemlich grobe Möbelstücke gewöhnt; er hatte nichts dagegen, wenn sie sich dann und wann laut beschwerten.
    »Wie ich gehört habe, werden heute vor Gericht weitere Anträge gestellt.«
    »Ich war eine Zeitlang dabei. Euer Anwalt ist ausgezeichnet. Verily Cooper?«
    »Ich glaube, er und ich, wir sollten Freunde sein«, sagte Alvin und wartete ihre Reaktion ab.
    Sie nickte und lächelte verkniffen. »Wollt Ihr wirklich, daß ich Euch sage, was ich über die möglichen Entwicklungen weiß, die eure Freundschaft vielleicht einschlägt?«
    Alvin seufzte. »Ich will es, und ich will es nicht, und das wißt Ihr genau.«
    »Ich werde Euch sagen, ich bin froh, daß er hier ist. Ohne ihn hättet Ihr keine Chance, diesen Prozeß zu überstehen.«
    »Also werde ich ihn jetzt gewinnen?«
    »Gewinnen ist nicht

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