Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Reisende

Der Reisende

Titel: Der Reisende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orson Scott Card
Vom Netzwerk:
Zeit über nicht mal an, obwohl man, um die Wahrheit zu sagen, nie ganz genau weiß, wohin ein Salamander schaut, denn wenn das eine Auge dorthin schaute, konnte das andere hierher schauen, und woher sollte man das wissen? Alles in allem war Arthur davon überzeugt, daß der Salamander ihn ansah. Wußte, daß er dort war. Aber er schien nicht beunruhigt oder so zu sein, und so sah Arthur einfach weiterhin zu und lauschte.
    »Ein Mann sollte nicht mit der Zuneigung einer Lady spielen«, sagte sie gerade. »Sobald ein Mann sich auf diesen Weg begibt, hat die Lady das Recht, sich so gut zu schützen, wie sie kann.«
    Ein weiterer Schluck Tee. Ein weiteres Nicken.
    »Ach, ich weiß. Und am schlimmsten ist, daß die Leute so schlecht von mir denken werden. Aber jeder weiß, daß Alvin Smith verborgene Kräfte hat. Natürlich komme ich nicht dagegen an.«
    Noch ein Schluck. Nun flossen abrupt Tränen aus ihren Augen.
    »Oh, meine Liebe, liebe Seele, meine Freundin, meine geliebte, geschätzte Freundin, wie könnte ich das tun? Ich mag den Jungen wirklich. Ich mag ihn wirklich. Warum nur, warum hat er mich nicht lieben können? Warum mußte er mich abweisen und mich dazu zwingen?«
    Und so ging es weiter. Arthur war nicht dumm. Er wußte sofort, daß Vilate Franker irgendeine Teufelei gegen Alvin plante, und hoffte, sie würde erwähnen, worum es sich dabei handelte, obwohl das nicht allzu wahrscheinlich war, da sie lediglich darüber sprach, wie schlecht sie sich fühlte und wie sehr sie es verabscheute, doch eine Lady habe nun mal das Recht, ihre Ehre zu verteidigen, auch wenn sie dabei den Anschein erwecken müsse, sie habe keine Ehre, aber deshalb sei es ja so schön, eine gute, wahre, wunderbare Freundin zu haben.
    Ach, wie die Tränen flossen. Ach, die Seufzer. Ach, der große Becher Tee, den sie trank, während Arthur auf dem Fensterbrett kauerte, sie beobachtete, lauschte.
    Doch als sie mit dem Weinen fertig war, war ihr Gesicht seltsamerweise einfach wieder sauber. Es war nicht tränenverschmiert. Kein Anzeichen von geröteten Augen. Nichts verriet, daß sie je eine Träne vergossen hatte.
    Der Tee forderte schließlich seinen Tribut. Vilate schob den Stuhl zurück und erhob sich. Arthur wußte, wo der Abtritt war; er sprang sofort von dem Regenfaß und war um das Haus gelaufen, noch bevor die Hintertür sich öffnete. Da er wußte, daß sie das Glöckchen jetzt nicht hören konnte, öffnete er die Tür des Postamts, ging hinein, kletterte über die Theke und ging weiter in die Küche an der Rückseite des Hauses. Und da war der Salamander; er leckte gerade etwas Tee auf, der auf die Untertasse verschüttet worden war. Als Arthur die Küche betrat, hob der Salamander den Kopf. Dann huschte er hin und her, zog eine Kontur über den Tisch. Ein Dreieck. Ein weiteres Dreieck, das das erste kreuzte.
    Ein Hexagramm.
    Arthur ging zu dem Stuhl, auf dem Vilate gesessen hatte. Wenn er stand, befand sein Kopf sich etwa auf der Höhe, die ihrer einnahm, wenn sie saß. Und als er sich über ihren Stuhl beugte, veränderte der Salamander sich.
    Nein, eigentlich nicht. Nein, eigentlich verschwand der Salamander. Statt dessen saß auf dem Stuhl ihm gegenüber eine Frau.
    »Du bist ein böser kleiner Junge«, sagte die Frau mit einem traurigen Lächeln.
    Arthur hatte kaum gehört, was sie gesagt hatte. Denn er kannte sie. Es war Old Peg Guester. Die Frau, die er Mutter nannte. Die Frau, die auf dem Hügel hinter dem Gasthof unter einem gewissen Grabstein begraben lag, neben seiner richtigen Mutter, dem entlaufenen Sklavenmädchen, das er nie gekannt hatte. Old Peg saß ihm gegenüber.
    Aber es war nicht Old Peg. Es war der Salamander.
    »Und du bildest dir immer etwas ein, du böser Junge. Du denkst dir Geschichten aus.«
    Old Peg hatte ihn immer »böser Junge« genannt, aber das war als Neckerei gemeint gewesen. Das hatte sie immer gesagt, wenn er etwas wiederholte, das andere Leute gesagt hatten. Dann lachte sie und nannte ihn einen bösen Jungen und umarmte ihn und trug ihm auf, diese Bemerkung vor keinem anderen zu wiederholen.
    Aber diese Frau, diese angebliche Old Peg, sie meinte es ernst. Sie hielt ihn für einen dummen Jungen.
    Er trat von dem Stuhl zurück. Der Salamander lag wieder auf dem Tisch, und Old Peg war weg. Arthur kniete neben dem Tisch nieder, um den Salamander auf Augenhöhe zu betrachten. Er sah ihm in die Augen. Arthur erwiderte den Blick.
    Mit den Tieren im Wald hatte er das immer stundenlang getan. Als er

Weitere Kostenlose Bücher