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Der Reisende

Der Reisende

Titel: Der Reisende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orson Scott Card
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geschickt an den Mund ihrer Tante Becca, die dann mit einem schnellen Schlürfen oder Beißen oder Nippen die Nahrung zu sich nahm. Kein Tropfen oder Krümel wurde auf den Stoff verschüttet.
    So konnte es nicht immer gewesen sein, dachte Peggy. Sie hatte Ta-Kumsaw geheiratet. Sie hatte ihm eine Tochter geboren, die Tochter, die gen Westen gezogen war, um zwischen den Roten auf der anderen Seite des Mizzipy einen Webstuhl zu bedienen. Sicher waren diese Dinge nicht geschehen, während der Schlegel hin und her flog und der Webstuhl hinabknallte, um die Fäden aufzureihen. Es war eine Täuschung. Oder aber, hier waren Dinge beteiligt, die Peggy nie verstehen würde, ganz gleich, wie sehr sie sich anstrengte.
    Sie drehte sich um und verließ den Raum. Der Korridor endete in einer schmalen Treppe. Auf der obersten Stufe saß – nahm sie jedenfalls an – der Junge; sie konnte nur seine nackten Füße und die Hosenbeine sehen. »Wie geht’s der Nase?« fragte sie.
    »Tut noch immer weh«, sagte der Junge. Er schob sich vor und rutschte auf dem Hosenboden ein paar Stufen hinab.
    »Aber nicht mehr so schlimm«, sagte sie. »Sie heilt schnell.«
    »Es waren nur Mädchen«, sagte er verächtlich.
    »Als sie auf dich eingeschlagen haben, hast du nicht mit solcher Verachtung an sie gedacht«, sagte sie.
    »Aber du hast nicht gehört, daß ich Onkel rufe, oder? Du hast kein Onkel von mir gehört.«
    »Nein«, sagte Peggy. »Kein Onkel von dir.«
    »Aber ich habe einen Onkel. Einen großen Roten. Ike.« .
    »Ich habe von ihm gehört.«
    »Er kommt fast jeden Tag her.«
    Peggy wollte weitere Informationen von ihm verlangen. Wie kommt Ta-Kumsaw hierher? Lebt er nicht westlich vom Mizzipy? Oder ist er tot und kommt nur im Geiste hierher?
    »Er kommt durch die Tür auf der Westseite«, sagte der Junge. »Die benutzen wir nicht. Nur er. Es ist die Tür zur Hütte meiner Kusine Wieza.«
    »Ihr Vater nennt sie Mana-Tawa, glaube ich.«
    Der Junge johlte. »Daß er ihr den Namen einer Roten gegeben hat, heißt noch lange nicht, daß er sie festhalten kann. Sie gehört ihm nicht.«
    »Wem gehört sie denn?«
    »Dem Webstuhl«, sagte er.
    »Und du?« fragte Peggy. »Gehörst du auch dem Webstuhl?«
    Er schüttelte den Kopf. Doch er schaute dabei traurig drein.
    Peggy sagte es in dem Augenblick, in dem sie es verstand: »Aber du würdest ihm gern gehören, nicht wahr?«
    »Sie wird keine weiteren Töchter mehr kriegen. Für ihn wird sie mit dem Weben nicht mehr aufhören. Also kann sie nicht gehen. Sie wird einfach ewig dort sitzen.«
    »Und Neffen können ihre Stelle nicht einnehmen?«
    »Nichten schon, aber meine Schwestern sind keinen Schweineschlick wert, meiner Meinun nach, un die is zufällich richtik.«
    »Richtich«, sagte Peggy. »Das spricht man –ich am Ende.«
    »Richtichg«, sagte der Junge. »Aber ich bin der Ansicht, man sollte die Worte buchstabieren, wie die Leute sie sprechen, statt uns zu zwingen, sie zu sprechen, wie sie buchstabiert werden.«
    Peggy mußte lachen. »Das hat was für sich. Aber man kann nicht einfach anfangen, die Worte so zu buchstabieren, wie es einem in den Sinn kommt. Denn du sprichst sie nicht genauso aus wie jemand in … sagen wir, Boston, und schon ziemlich bald würdet ihr beide, du und er, sie so unterschiedlich schreiben, daß ihr die Briefe oder Bücher, die ihr euch gegenseitig schickt, nicht mehr lesen könnt.«
    »Ich will seine verdammten alten Bücher sowieso nicht lesen«, sagte der Junge. »Ich kenne überhaupt keine Jungs in Boston.«
    »Hast du einen Namen?«
    »Aber den darfst du nicht wissen«, sagte der Junge. »Hältst du mich für blöd? Du hast es doch ganz dicke mit Zaubersprüchen. Glaubst du, da würd ich dir Macht über meinen Namen geben?«
    »Die Zauber dienen dazu, mich vor anderen zu verbergen.«
    »Wieso mußt du dich verstecken? Es sucht doch keiner nach dir.«
    Diese Worte trafen sie hart. Niemand suchte sie. Tja, da hatte sie es. Einst hatte sie sich getarnt, damit sie in ihr eigenes Haus zurückkehren konnte, ohne daß ihre Familie es erfuhr. Vor wem versteckte sie sich jetzt?
    »Vielleicht verstecke ich mich vor mir selbst. Vielleicht will ich nicht sein, was ich sein soll. Oder vielleicht will ich nicht mehr das Leben führen, das zu führen ich bereits angefangen habe.«
    »Vielleicht weißt du auch überhaupt nichts darüber«, sagte er.
    »Vielleicht.«
    »Ach, tu doch nicht so geheimnisvoll, du dumme alte Lady.«
    Dumm mochte sie ja noch hinnehmen, aber

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