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Der Reisende

Der Reisende

Titel: Der Reisende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orson Scott Card
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und all die Trauer und den Schmerz und das Leid und die Gedanken zu sehen! Es spielt keine Rolle, sie sind Gottes Vieh, und er kann sie hüten, wie es ihm beliebt, doch dann findest du denjenigen, den du mehr liebst als das Leben, und Gott hat ihn durch den Verrat der Franzosen und den Haß der Engländer und völlig sinnlos niedergemetzelt, und sein ganzes Leben ist bedeutungslos und verloren, und nichts hat sich dadurch geändert, abgesehen von ein paar Legenden und Liedern, und da bin ich, die ihn noch immer liebt, auf ewig eine Witwe, weil er tot ist! Und ja, ich habe denjenigen gefunden, der ihn retten konnte. Ich wußte, wenn sie sich begegnen, werden sie Liebe füreinander empfinden und sich gegenseitig retten.«
    »Aber was du getan hast, hat das Massaker am Tippy-Canoe verursacht«, sagte Peggy. »Die Leute von Vigor Church dachten, Alvin wäre entführt und zu Tode gemartert worden, und so haben sie aus Rache Tenskwa-Tawas Volk abgeschlachtet. Jetzt liegt ein Fluch auf ihnen allen, und alles nur deinetwegen.«
    »Weil Harrison ihren Zorn ausgenutzt hat. Glaubst du etwa, es hätte nicht auf jeden Fall ein Massaker gegeben?«
    »Aber das Blut würde dann nicht an denselben Händen kleben, nicht wahr?«
    Becca weinte, und ihre Tränen fielen auf den Stoff.
    »Solltest du diese Tränen nicht trocknen?« fragte Peggy.
    »Könnten Tränen diesen Stoff verderben, wäre schon längst keiner mehr übrig.«
    »Also weißt ausgerechnet du, was es kostet, sich in den Verlauf des Lebens anderer einzumischen.«
    »Und ausgerechnet du weißt, was es kostet, sich zum richtigen Zeitpunkt nicht eingemischt zu haben.« Becca hob den Kopf und machte mit ihrer Arbeit weiter. »Ich habe ihn gerettet, und das war mein Ziel. Die, die gestorben sind, wären sowieso gestorben.«
    »Und doch bin ich hier, weil deine Schwester will, daß ich auf Alvin achtgebe.«
    »Du bist hier, weil wir nur die Fäden sehen und dann haltlose Vermutungen anstellen, was sie zu bedeuten haben und wer sie sind. Wir kennen den Faden des jungen Schöpfers – in diesem Tuch kann man ihn unmöglich übersehen. Außerdem habe ich ihn einmal bewegt und mit dem Faden meines Isaac verbunden. Glaubst du etwa, ich könnte ihn danach noch einmal verlieren? Ich werde ihn dir zeigen, wenn du mir versprichst, nicht hinter den Zoll Stoff zu schauen, den ich dir zeige.«
    »Ich verspreche dir, nicht hinzuschauen. Aber ich kann nichts dafür, wenn ich zufällig etwas sehe.«
    »Dann sieh zufällig dies.«
    Peggy warf einen Blick auf den Stoff; sie wußte, daß jene, die nicht hinter dem Webstuhl saßen, diesen Anblick nur selten zu sehen bekamen. Alvins Faden war leicht auszumachen, ein schimmerndes Licht mit allen Farben darin; aber er war nicht dicker als die anderen Fäden, und er sah zerbrechlich aus, als könne man ihn durch achtlose Handhabung mit Leichtigkeit zerreißen. »Du hast es gewagt, diesen Faden zu bewegen?«
    »Er ist von allein an seine alte Stelle zurückgekehrt«, sagte Becca. »Ich habe ihn mir nur für eine Weile geborgt. Und er hat seinen Bruder Measure gerettet. Für ihn hat sich ein Achtgesichtiger Grabhügel geöffnet. Ich sag dir, in seinem Leben sind Kräfte am Werk, die viel größer sind als meine Macht, die Fäden zu bewegen.«
    »Auch viel mächtiger als ich.«
    »Du bist eine dieser Kräfte. Nicht alle von ihnen, nicht die größte von ihnen, aber du bist eine. Schau. Sieh, wie die Fäden ihn kreuzen. Seine Brüder und Schwestern, glaube ich. Er ist eng mit seiner Familie verbunden. Und sieh, wie diese Fäden heller leuchten, mehr Farbtöne aufweisen. Er lehrt sie, Schöpfer zu sein.«
    Das hatte Peggy nicht gewußt. »Ist das nicht gefährlich?«
    »Er kann sein Werk nicht allein bewältigen«, sagte Becca. »Also lehrt er andere, ihm dabei zu helfen. Er ist erfolgreicher, als erahnt.«
    »Dieser da«, sagte Peggy und zeigte auf den hellsten der anderen Fäden. Er scherte weit aus, wanderte fern vom Rest der Familie durch das Tuch.
    »Sein Bruder. Auch der siebente Sohn eines siebenten Sohns«, sagte Becca. »Aber der achte, wenn man den mitzählt, der gestorben ist.«
    »Aber der siebente der lebenden, als er geboren wurde«, sagte Peggy. »Ja, in ihm ist Macht.«
    »Schau«, sagte Becca. »Sieh, wie er am Anfang war. Genauso hell wie Alvins Faden. Damals steckte in ihm fast genauso viel wie in Alvin. Und gegen ihn arbeiteten nicht mehr Mächte, als auch Alvin überwand. Eigentlich sogar weniger, denn als er sich voll entwickelt

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