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Der Reisende

Der Reisende

Titel: Der Reisende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orson Scott Card
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alt? »Ich bin gar nicht so viele Jahre älter als du.«
    »Wenn die Leute vielleicht sagen, dann, weil sie lügen. Entweder, sie glauben nicht, was sie sagen, oder sie glauben es, wollen es aber nur nicht eingestehen.«
    »Du bist ein sehr kluger junger Mann.«
    »Und die wahren Lügner wechseln das Thema in dem Augenblick, in dem die Wahrheit zu Tage kommt.«
    Peggy betrachtete ihn ruhig. »Du hast auf mich gewartet, nicht wahr?«
    »Ich weiß, was Tante Becca tun würde. Sie sagt aber keinem nix was davon.«
    »Und du wirst es mir erzählen?«
    »Ich doch nicht! Der Ärger ist zu groß, als daß ich ihn mir einbrocken würde.« Er lächelte. »Aber du hast verhindert, daß die drei Hexen Suppe aus mir machen. Also hab ich dafür gesorgt, daß du in die richtige Richtung denkst, wenn du nur Grips genug hast, es zu sehen.« Mit diesen Worten sprang er auf, und sie lauschte, während seine Füße die Stufen hinauf trampelten. Dann war er fort.
    Peggy hätte die Wahl, glücklich zu sein. Becca hatte das gesagt, oder zumindest, daß ihre Schwester es gesagt hatte – wenngleich sie sich nur schwer vorstellen konnte, daß diese Frau mit dem so leeren Gesicht sich irgendeinen Dreck darum scherte, ob jemand glücklich war oder nicht. Und nun hatte der Junge sie dazu gebracht, darüber zu sprechen, warum sie sich hinter Hexagrammen verbarg, und gesagt, er hätte sie geleitet. Die Wahl, die man ihr anbot, war nun völlig offensichtlich. Sie hatte sich in der Arbeit ihres Vaters begraben, um der Sklaverei den Rücken zu brechen, und damit aufgehört, nach Alvin zu suchen. Sie wollten, daß sie wieder auf ihn achtgab. Sie wollten, daß sie nach ihm griff.
    Sie stürmte in die Hütte zurück. »Das werde ich nicht tun«, sagte sie. »Auf diesen Jungen zu achten … das hat meine Mutter umgebracht.«
    »Verzeihung, aber ich glaube, eine Flinte hat sie erledigt«, sagte Becca.
    »Mit einem Schuß, den ich hätte verhindern können.«
    »Wenn du es sagst«, meinte Becca.
    »Ja, das sage ich.«
    »Der Faden deiner Mutter zerriß, als sie sich entschied, nach einer Flinte zu greifen und selbst ein wenig zu töten, anstatt Alvin zu vertrauen. Ihr Junge Arthur war in Sicherheit. Sie mußte nicht töten, aber als sie sich entschied, es zu tun, entschied sie sich für den Tod. Glaubst du, du hättest dafür sorgen können, daß sie eine andere Entscheidung trifft?«
    »Erwarte nicht, daß ich leichte Antworten akzeptiere.«
    »Nein, ich erwarte, daß du alle Antworten so schwer wie möglich machst. Aber manchmal sind die leichten Antworten wahr.«
    »Dann heißt es also, zurück in die alten Zeiten? Auf Alvin aufpassen? Soll ich mich etwa in ihn verlieben? Ihn heiraten? Zusehen, wie er stirbt?«
    »Ob nun so oder so … das ist mir ziemlich gleichgültig. Meine Schwester glaubt, daß du mit ihm glücklicher sein wirst als ohne ihn, und auf lange Sicht ist er sowieso tot, aber sind wir das andererseits nicht alle? Die meisten Frauen werden, wenn sie nicht beim Kinderkriegen sterben, irgendwann mal Witwen sein. Na und?«
    Na und? Daß sie so viele Möglichkeiten vorhersehen konnte, wie Alvin sterben würde, hieß noch lange nicht, daß sie vermeiden sollte, ihn zu lieben. Das sagte ihr die Vernunft. Aber Furcht hatte nichts mit Vernunft zu tun.
    »Du verbringst dein ganzes Leben damit, um jene zu trauern, die noch nicht gestorben sind«, sagte Becca. »Was für eine Verschwendung eines interessanten Talents.«
    »Eines interessanten Talents?«
    »Du hättest auch die Begabung haben können, Schuhleder geschmeidig zu machen. Stell dir nur mal vor, wie glücklich dich das gemacht hätte.«
    Peggy versuchte, sich als Schuster vorzustellen, und mußte lachen. »Ich schätze, ich würde es größtenteils lieber wissen als nicht wissen.«
    »Genau. Das Wissen tut manchmal weh, besonders, wenn man gar nichts ändern kann.«
    Aber es war etwas Verstohlenes an ihr, an der Art und Weise, wie sie das sagte. »Gar nichts ändern können, so ein verdammter Unfug!« sagte Peggy.
    »Nimm keine Flüche in den Mund, die du nicht verstehst«, sagte Becca.
    »Du nimmst Veränderungen vor. Du bist nicht der Ansicht, daß der Webstuhl unveränderlich ist.«
    »Es ist gefährlich, etwas zu ändern. Die Konsequenzen lassen sich nicht voraussagen.«
    »Du hast Ta-Kumsaw tot in Detroit gesehen. Also hast du Alvins Faden genommen und …«
    »Was weißt du schon vom Webstuhl!« rief Becca. »Was weißt du schon davon, all die Fäden unter deinen Händen fließen

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