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Der Reisende

Der Reisende

Titel: Der Reisende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orson Scott Card
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am Ärmelkanal stehengeblieben war, den Frieden ausgerufen hatte und seine Herrschaft mit, wie es hieß, eiserner Faust, aber liebevollem Herzen ausübte, so daß schon ziemlich bald in Italien oder Österreich oder den Niederlanden oder sonst wer keiner mehr wünschte, die alten Herrscher kämen zurück. Das war der Mann, der tatsächlich etwas von Macht verstand. Das war der Mann, der Calvin beibringen konnte, was er wissen mußte.
    Das einzige Problem war – warum sollte ein so mächtiger Mann sich jemals bereit erklären, mit einem armen Farmersjungen aus Wobbish zu sprechen? Und wie sollte dieser arme Bauernjunge je eine Passage über den Ozean finden? Hätte Alvin ihm doch nur beigebracht, wie man Eisen in Gold verwandelt. Das wäre ein nützliches Talent gewesen. Man stelle sich eine Dampflokomotive vor, die völlig in massives Gold verwandelt wurde. Man mußte nur den Kessel anheizen, und das verdammte Ding würde schmelzen – aber zu Pfützen aus Gold. Man mußte nur eine Schöpfkelle hineinhalten und wieder hinausheben und hatte seine Passage nach Frankreich, und zwar nicht im Zwischendeck. Eine Passage Erster Klasse und ein gutes Hotel in Paris. Und auch schöne Kleider, damit die Lakaien in der amerikanischen Botschaft katzbuckelten und ihn direkt zum Botschafter brachten und der Botschafter ihn direkt zum Kaiserlichen Palast brachte, wo man ihn Napoleon persönlich vorstellen würde, und Napoleon würde sagen: Warum sollte ich Euch empfangen, einen gewöhnlichen Bürger aus einem zweitklassigen Land in den wilden Landen des Westens? Und Calvin würde drei Schöpfkellen voll Gold aus seinen Taschen holen und sie schwer auf Napoleons Hände legen und sagen: Wieviel davon wollt Ihr? Ich weiß, wie man mehr davon machen kann. Und Napoleon würde sagen: Ich habe alle Steueraufkommen Europas, um mir Gold zu kaufen. Da brauche ich doch nicht Eure elende Handvoll. Und Calvin würde sagen: Nun habt Ihr etwas mehr Gold als zuvor. Seht Eure Knöpfe an, Sir. Und Napoleon würde auf die Messingknöpfe an seinem Rock schauen, und auch sie wären aus Gold, und er würde sagen: Was wollt Ihr von mir, Sir? Genau, er würde »Sir« zu Calvin sagen, und Calvin würde sagen: Ich will lediglich, daß Ihr mich lehrt, was Macht ist.
    Aber wenn Calvin wüßte, wie man Eisen oder Messing in Gold verwandeln konnte, würde er ganz bestimmt keine Hilfe von Napoleon Bonaparte brauchen, dem Kaiser der Erde, oder welchen törichten Titel der Mann sich bei seiner letzten Beförderung selbst verliehen hatte. Das war eins dieser kreisförmigen Dilemmas, auf die er immer wieder stieß. Wenn er genug Macht hatte, um Napoleons Aufmerksamkeit zu erregen, brauchte er Napoleon nicht mehr. Und da er Napoleon brauchte, bestand nicht die geringste Aussicht, daß einer seiner Untergebenen Calvin auch nur in dessen Nähe kommen ließ.
    Calvin war nicht dumm. Was auch immer die Stadtmenschen glaubten, er war kein Trottel vom Lande. Er wußte, daß mächtige Männer nicht einfach jeden zu sich ließen, um etwas zu plaudern.
    Aber ich habe einige Kräfte, dachte Calvin. Ich habe einige Kräfte, und ich kann das deichseln, sobald ich auf der anderen Seite des Großen Teichs bin. So nennen die kultivierten Leute den Atlantik – den Großen Teich. Sobald ich über den Teich bin. Vielleicht muß ich noch Französisch lernen, aber es heißt, Napoleon spricht auch Englisch, von seiner Zeit als General in Kanada. So oder so, ich werde mich zu ihm durchschlagen, und er wird mich als seinen Lehrling aufnehmen. Bei dieser Lehre geht es nicht darum, daß ich nach ihm sein Reich übernehme, sondern daß ich eins in Amerika errichte. Daß ich die Kronkolonien und New England und die Vereinigten Staaten alle unter eine Flagge bringe. Und auch Kanada. Und Florida. Und dann würde er den Blick vielleicht über den Mizzipy richten und feststellen, ob es dem alten Tenskwa-Tawa gelang, einen Schöpfer zurückzuhalten, der das Land der Roten erobern und unterwerfen wollte.
    Alles Träume. Alles dumme, törichte Träume eines Jungen, der in einer billigen Pension schläft und lausige Gelegenheitsarbeiten verrichtet, um ein paar Cents am Tag zu verdienen. Calvin wußte das, aber er wußte auch, wenn er ein Talent wie das seine nicht zum Erwerb von Geld und Macht einsetzen konnte, hatte er auch nichts Besseres verdient als diese verlausten Betten und wurmigen Mahlzeiten und äußerst mühsamen Arbeiten.
    Aber dann geschah es doch. Die Leute auf der Straße hatten sich an

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