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Der Reisende

Der Reisende

Titel: Der Reisende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orson Scott Card
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anderen Passagiere erster Klasse würden sofort die Nase über dich rümpfen und zweifellos glauben, ich hätte dich als meinen Lustknaben an Bord geholt. Meine Karriere wäre sowieso ruiniert, würde ich einem ungehobelten, ungebildeten Rüpel wie dir erlauben, mit meinen besseren Passagieren zu reisen. Um es schlicht und einfach auszudrücken, junger Master, du magst Macht über Ratten und Planken haben, hast aber keine über reiche Männer und Frauen.«
    »Unterrichtet mich«, sagte Calvin.
    »Dafür hat der Tag nicht genug Stunden und die Woche nicht genug Tage.«
    »Unterrichtet mich«, sagte Calvin erneut.
    »Du kommst her und drohst mir mit der Zerstörung meines Schiffes durch die bösen Kräfte Satans, und dann wagst du es, mich zu bitten, dich zu unterweisen, ein Gentleman zu sein?«
    »Warum habt Ihr nicht sofort ein Gebet gesprochen, um mich abzuwehren«, sagte Calvin, »wenn Ihr glaubt, meine Kräfte kämen vom Teufel?«
    Der Captain funkelte ihn einen Augenblick lang an und lächelte dann, grimmig, aber nicht ohne echte Heiterkeit. »Touché«, sagte er.
    »Was auch immer das heißt, verdammt«, sagte Calvin.
    »Es ist ein Begriff aus dem Fechten«, sagte der Captain.
    »Ich hab in meinem Leben schon oft genug gefochten«, sagte Calvin. »Meist hab ich mich mit meinen Brüdern geprügelt. Aber Tusche hab ich dabei noch nie gesehen.«
    Das Lächeln des Captains wurde breiter. »Deine Herausforderung hat etwas Attraktives an sich. Du könntest einige interessante … wie nennst du sie … Talente haben. Aber du bist trotzdem ein armer Junge von einer Farm. Ich hab schon viele Bauernjungen genommen und sie zu erstklassigen Seeleuten gemacht. Aber ich hab noch nie einen Jungen genommen, der nicht als Gentleman geboren wurde, und ihn in etwas verwandelt, das als zivilisiert durchgehen könnte.«
    »Betrachtet mich als die Herausforderung Eures Lebens.«
    »Oh, glaub mir, das hab ich schon getan. Ich hab mich natürlich noch nicht endgültig entschieden, dich nicht zu töten. Aber da du mir ja so oder so Ärger bereiten wirst, kann ich die Herausforderung auch gleich akzeptieren und versuchen, mit dir ein Wunder zu bewirken, daß genauso unerklärlich und unmöglich ist wie die häßlichen Streiche, die du mir gerade gespielt hast.«
    »Erster Klasse, nicht das Zwischendeck«, beharrte Calvin.
    Der Captain schüttelte den Kopf. »Weder, noch. Du wirst als mein Kabinensteward fahren. Oder besser gesagt, als Kabinensteward meines Kabinenstewards. Ich schätze, Rafe ist gute drei Jahre jünger als du, aber er weiß von Geburt an alles, was du so dringend lernen willst. Wenn du ihm hilfst, hat er vielleicht genug Freizeit, es dir beizubringen. Und ich überwache euch beide. Aber nur unter mehreren Bedingungen.«
    Calvin sah zwar nicht ein, daß der Captain in der Position war, Bedingungen zu stellen, hörte aber trotzdem wie ein zivilisierter Mensch zu.
    »Ganz gleich, welche Kräfte du hast, das Überleben auf See hängt von augenblicklichem und vollkommenem Gehorsam aller Personen an Bord des Schiffes ab. Gehorsam mir gegenüber. Du weißt nichts von der See, und ich nehme nicht an, daß du etwas über die Seemannschaft lernen willst. Also wirst du nichts tun, was meine Autorität in Frage stellt. Und du wirst mir gehorchen. Das heißt, wenn ich ›Pisse!‹ sage, wirst du nicht mal nach einem Topf suchen, sondern dein Ding rausholen und pinkeln.«
    »Vor den anderen werde ich mich stets gehorsam zeigen, wenn Ihr mir nicht befehlt, mich zu töten oder irgendeine ähnliche Torheit anzustellen.«
    »Ich bin kein Narr«, sagte der Captain.
    »Na schön, ich werde tun, was Ihr sagt.«
    »Und du wirst deinen Mund halten, bis du – in kleinem Kreis – gelernt hast, annähernd wie ein Gentleman zu sprechen. Wenn du im Augenblick den Mund aufmachst, gestehst du damit deine niedrige Herkunft ein und bringst damit dich und mich vor meiner Mannschaft und den anderen Offizieren und Passagieren in Verlegenheit.«
    »Ich weiß den Mund zu halten, wenn es sein muß.«
    »Und wenn wir England erreichen, ist unser Geschäft abgeschlossen, und du läßt keinen Fluch auf meinem Schiff zurück.«
    »Jetzt verlangt Ihr zuviel«, sagte Calvin. »Ihr müßt mich anderen Leuten aus der Gesellschaft vorstellen. Und mir eine Passage nach Frankreich verschaffen.«
    »Nach Frankreich! Weißt du nicht, daß England sich mit Frankreich im Krieg befindet?«
    »Ihr führt doch schon Krieg gegeneinander, seit Napoleon Österreich und Spanien

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