Der Reisende

erobert hat. Das kann mich nicht abhalten.«
    »Mit anderen Worten, ich bin dich noch nicht los, wenn wir England erreichen.«
    »Genau«, sagte Calvin.
    »Warum bringe ich mich dann nicht gleich um und erspare mir dieses Abenteuer, bevor du mich anschließend früh ins Grab schickst?«
    »Weil meine Freunde in dieser Welt gedeihen und ihnen nicht viel Schlimmes widerfahren kann.«
    »Du meinst also, ich muß nur dafür sorgen, daß ich dein Freund bleibe?«
    Calvin nickte.
    »Aber wenn ich nur aus Angst, du könntest mein Schiff zerstören, freundlich zu dir bin … wird dir dann eines Tages nicht in den Sinn kommen, daß ich in Wirklichkeit gar nicht dein Freund bin?«
    Calvin lächelte. »Das heißt, Ihr müßt Euch einfach ganz besonders bemühen, mich zu überzeugen, daß Ihr es ernst meint.«
    Der Offizier, der Calvins Nachricht als erster vernommen hatte, näherte sich nun zögernd dem Captain. »Captain Fitzroy«, sagte er. »Das Lecken scheint aufgehört zu haben, Sir.«
    »Ich weiß«, sagte der Captain.
    »Danke, Sir«, sagte der Offizier.
    »Sorgt dafür, daß alle wieder an die Arbeit gehen, Benson«, sagte der Captain.
    »Einige der amerikanischen Schauermänner und Matrosen werden keinen Fuß mehr auf dieses Schiff setzen, ganz gleich, was wir ihnen sagen, Sir.«
    »Zahlt sie aus und heuert andere an«, sagte der Captain. »Das ist alles, Benson.«
    »Jawohl, Sir.« Benson drehte sich um und kehrte zu der Laufplanke zurück.
    Calvin hatte den scharfen Befehlston in Captain Fitzroys Stimme gehört und fragte sich nun, wie man lernen konnte, seine Stimme wie ein scharfes heißes Messer einzusetzen und den Willen anderer Menschen damit wie warme Butter zu durchschneiden.
    »Ich würde meinen, du hast mir schon mehr Ärger eingebrockt, als du es wert bist«, sagte Captain Fitzroy. »Und ich persönlich bezweifle, daß es in dir steckt, ein Gentleman zu werden, obwohl es weiß Gott viele gibt, die diesen Titel tragen und genauso unwissend und rüpelhaft wie du sind. Aber ich werde diese erzwungene Vereinbarung akzeptieren, zum Teil, weil ich dich gleichermaßen faszinierend wie verabscheuungswürdig finde.«
    »Ich weiß nicht, was manche dieser Worte bedeuten, Captain Fitzroy, aber ich weiß eins – Geschichtentauscher hat uns mal erzählt, wenn Könige Bastarde haben, bekommen die Babys den Nachnamen ›Fitzroy‹. Also ganz gleich, was ich bin, Euer Name besagt, daß Ihr der Sohn einer Hure seid.«
    »In meinem Fall der Ururenkel einer Hure. Der zweite Charles stieß sich die Hörner ab. Meine Ururgroßmutter, eine bekannte, aus niedrigem Adel stammende Schauspielerin, ging eine Liaison mit ihm ein und schaffte es, ihr Kind als königlich anerkennen zu lassen, bevor das Parlament ihm seinen Kopf nahm. Meine Familie hat seit dem Ende der Monarchie ihre Höhen und Tiefen erlebt, und manche Lordprotektoren waren der Ansicht, unsere Verbindung mit der königlichen Familie lasse uns gefährlich werden. Aber es gelang uns, zu überleben und in den letzten Jahren sogar zu gedeihen. Leider bin ich der jüngere Sohn eines jüngeren Sohns, so daß mir nur die Wahl zwischen der Kirche, der Armee oder der See blieb. Bis ich dich getroffen habe, habe ich meine Wahl nicht bedauert. Hast du einen Namen, mein junger Erpresser?«
    »Calvin«, sagte er.
    »Und entstammst du einer so unbedarften Familie, daß du als väterliches Erbe nur diesen einen Namen bekommen hast?«
    »Maker«, sagte Calvin. »Calvin Maker.«
    »Wie köstlich verschwommen. Maker. Der Macher. Der Schöpfer. Ein allgemeiner Begriff, der in vielerlei Hinsicht ausgelegt werden kann, während er keine besondere Begabung verspricht. Ein Calvin Dampf in allen Gassen. Versteht er von allem ein bißchen was, aber von nichts sehr viel?«
    »Er versteht etwas von Ratten«, sagte Calvin lächelnd. »Und von Lecks.«
    »Wie wir gesehen haben«, sagte Captain Fitzroy. »Ich werde deinen Namen als Besatzungsmitglied eintragen lassen. Sei mit deinem Gepäck bei Anbruch der Dunkelheit an Bord.«
    »Wenn Ihr mir jemanden nachschickt, der mich töten soll, wird Euer Schiff …«
    »Sich in Sägemehl auflösen, ja, diese Drohung kenne ich bereits«, sagte Fitzroy. »Jetzt mußt du dir nur Sorgen darüber machen, wieviel mir in Wirklichkeit an meinem Schiff liegt.«
    Mit diesen Worten wandte Fitzroy Calvin den Rücken zu und ging die Laufplanke hinauf. Calvin hätte ihn fast ausrutschen und hinfallen lassen, nur um diese Würde zu durchdringen. Aber er wußte, er