Der Reisende
vorgesehen hast? Entweder, ich gehorche meiner Frau in allem, oder ich wünsche mir, ich hätte ihr gehorcht!«
Geschichtentauscher zuckte mit den Achseln. »Ich verstehe deinen Einwand noch immer nicht.«
»Es ist ganz einfach: Ein erwachsener Mann will nicht mit seiner Mutter verheiratet sein. Er will eigene Entscheidungen treffen.«
»Da hast du ganz sicher recht«, sagte Geschichtentauscher. »Und wer ist dieser erwachsene Mann, von dem du sprichst?«
Alvin schnappte nicht nach dem Köder. »Ich hoffe, daß eines Tages ich es sein werde. Aber ich wäre nie mehr ich selbst, würde ich mich mit einer Fackel zusammentun. Ich verdanke Miss Larner viel. Und ich schulde dem Mädchen, das sie war, bevor sie Lehrerin wurde, noch viel mehr dem Mädchen, das auf mich acht gegeben und immer wieder mein Leben gerettet hat. Kein Wunder, daß ich sie geliebt habe. Aber sie zu heiraten … das wäre der schlimmste Fehler meines Lebens. Das hätte mich schwach gemacht. Abhängig. Mein Talent wäre vielleicht in meinen Händen geblieben, hätte aber völlig in ihren Diensten gestanden, und so kann ein Mann nicht leben.«
»Ein erwachsener Mann, meinst du.«
»Verspotte mich, soviel du willst, Geschichtentauscher. Wie ich feststelle, hast du keine Frau.«
»Dann muß ich erwachsen sein«, sagte Geschichtentauscher. Doch plötzlich klang seine Stimme ziemlich scharf, und nachdem er Alvin noch einen Augenblick lang hinterher geschaut hatte, ging er den Weg zurück, den sie gekommen waren.
»Ich habe Geschichtentauscher noch nie so zornig gesehen«, sagte Arthur Stuart.
»Er scheint es nicht zu mögen, wenn die Leute ihm seinen eigenen Rat ins Gesicht zurückwerfen«, sagte Alvin.
Arthur Stuart sagte nichts. Wartete einfach.
»Na schön, gehen wir.«
Sofort drehte Arthur sich um und ging los.
»He, warte auf mich«, sagte Alvin.
»Warum?« sagte Arthur Stuart. »Du weißt doch auch nicht, wohin wir gehen.«
»Schätze, nicht, aber ich bin größer, also entscheide ich, nach welchem Nichts wir uns auf den Weg machen.«
Arthur lachte leise. »Ich wette, du kannst dich für keine einzige Richtung entscheiden, wenn nicht irgend jemand irgendwo unterwegs auf deinem Weg steht. Selbst, wenn er eine halbe Welt entfernt ist.«
»Davon weiß ich nichts«, sagte Alvin. »Aber ich weiß genau, ganz gleich, wohin wir gehen, irgendwann werden wir auf das Meer treffen. Kannst du schwimmen?«
»Nicht so gut, daß ich es mit dem Meer aufnehmen könnte.«
»Wozu nehme ich dich dann überhaupt mit?« sagte Alvin. »Ich habe fest damit gerechnet, daß du mich in einem Boot rüberschleppen würdest.«
Hand in Hand drangen sie tiefer in den Wald ein. Und obwohl Alvin nicht wußte, wohin er ging, wußte er eins: Das grüne Lied mochte dieser Tage schwach und völlig durcheinander sein, aber es war noch vorhanden, und unwillkürlich glich Alvin sich ihm an und bewegte sich in perfekter Harmonie mit dem grünen Leben. Die Zweige bogen sich aus seinem Weg; die Blätter waren weich unter seinen Füßen, und schon bald ging er geräuschlos weiter, ließ keine Spur zurück und erzeugte dabei keine Störung.
In dieser Nacht schlugen sie ihr Lager am Ufer des Lake Mizogan auf. Falls man es ein Lager nennen konnte, denn sie machten kein Feuer und errichteten kein Zelt. Sie traten am späten Nachmittag aus dem Wald und standen am Ufer. Alvin war schon einmal an diesem See gewesen – nicht genau an dieser Stelle, aber auch nicht weit davon entfernt-, als Tenskwa-Tawa einen Wirbelwind gerufen und seine Füße aufgeschnitten und auf das blutige Wasser hinausgegangen war. Er hatte Alvin mitgenommen, ihn in den Wirbelwind gezogen und ihm Visionen gezeigt. Bei dieser Gelegenheit hatte Alvin zum erstenmal die Kristallstadt gesehen und gewußt, daß er sie eines Tages bauen würde, oder besser gesagt wiedererbauen, denn sie hatte schon einmal existiert, vielleicht sogar auch mehr als einmal. Aber der Sturm hatte sich gelegt, war eine ferne Erinnerung; auch Tenskwa-Tawa und sein Volk waren fort, die meisten von ihnen tot, der Rest im Westen. Nun war der Mizogan einfach nur ein See.
Früher hätte Alvin Angst vor dem Wasser gehabt, denn mit Hilfe von Wasser hatte der Unschöpfer ihn immer wieder zu töten versucht, als er noch ein Kind war. Aber das war, bevor Alvin in sein Talent hineingewachsen und in jener Nacht in der Schmiede, in der er Eisen in Gold verwandelt hatte, ein wahrer Schöpfer geworden war. Der Unschöpfer konnte ihn durch Wasser jetzt
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