Der Reisende
schreckliches Verbrechen vor. Er könnte nie eine Frau heiraten, die ihn verehrte. Denn seine Frau würde nicht mit dem Schöpfer, sondern mit dem Mann namens Alvin verheiratet sein.
Dann dachte er an Peggy Larner. Er stellte sich vor, sich auf einen Ellbogen aufzurichten und sie anzusehen, wenn das niedrige, ferne Gewitter einen Streifen Licht auf ihr Gesicht warf. Ihr Haar lose und im Gras zerzaust. Ihre damenhaften Hände nun nicht mehr beherrscht und grazil, mit einstudierten Gesten, sondern achtlos im Schlaf ausgestreckt.
Zu seiner Überraschung traten Tränen in seine Augen. Kurz darauf wurde ihm auch klar, wieso: Sie war für ihn genauso unmöglich wie Amy, nicht, weil sie ihn verehren, sondern weil sie seiner Sache stärker als ihm verpflichtet sein würde. Sie liebte nicht den Schöpfer, und ganz bestimmt nicht den Mann, sondern vielmehr das Schöpfen und das Geschaffene. Sie zu heiraten, das wäre eine freundliche Kapitulation vor dem Schicksal, denn sie sah die Zukunftswege, die aus allen möglichen gegenwärtigen Entscheidungen entstehen würden, und wenn er sie heiratete, wäre er überhaupt kein Mann mehr, nicht, weil sie ihn entmannen wollte, sondern weil er selbst nicht so dumm sein würde, ihrem Rat nicht zu folgen. Er würde ihr freiwillig folgen und so freiwillig seine Freiheit verlieren.
Nein, Arthur lag dort neben ihm, dieser seltsame Junge, der Alvin über alle Vernunft hinaus zugetan war und trotzdem nichts von ihm verlangte; dieser Junge, der einen Teil von sich verloren hatte, um frei zu sein, und ihn mit einem Teil von Alvin ersetzt hatte.
Die Parallele war für Alvin plötzlich offensichtlich, und einen Augenblick lang schämte er sich. Ich habe Arthur genau das angetan, wovon ich befürchte, daß Peggy Larner es mir antun würde. Ich habe einen Teil von ihm genommen und ihn durch einen Teil von mir ersetzt. Aber er war so jung und in so großer Gefahr, daß ich ihn nicht fragte und ihm auch nichts erklärte, und hätte ich es versucht, hätte er mich sowieso nicht verstanden. Er hatte keine Wahl. Ich habe noch eine.
Wäre ich so zufrieden wie Arthur, hätte ich mich Peggy hingegeben?
Vielleicht eines Tages, dachte Alvin. Aber nicht jetzt. Ich bin noch nicht bereit, mich jemandem zu geben, meinen Willen aufzugeben. Wie Arthur es bei mir getan hat. Wie Eltern es bei ihren Kindern tun, wenn sie ihr Leben den Bedürfnissen der hilflosen, selbstsüchtigen Kleinen übergeben. Die Straße liegt offen vor mir, alle Straßen, alle Möglichkeiten. Von diesem mit Gras bewachsenen Bett neben dem Lake Mizogan aus kann ich überallhin gehen, alles finden, was man finden kann, alles tun, was man tun kann, alles schaffen, was man schaffen kann. Warum sollte ich einen Zaun um mich errichten? Mich an einen Baum binden? Nicht einmal ein Pferd, nicht einmal ein Hund, war so treu ergeben, sich so etwas Verrücktes anzutun.
Von Kindheit an hatte sein Talent ihn gefesselt. Ob als Kind in seiner Familie, als Ta-Kumsaws Reisegefährte, als Schmiedelehrling oder als Lehrer von Möchtegern-Schöpfern, sein Talent hatte ihm die Beine zusammengebunden. Aber jetzt nicht mehr.
Erneut leuchtete ein Blitz auf, diesmal weiter entfernt. Hier würde es in dieser Nacht nicht regnen. Und morgen würde er aufstehen und nach Süden gehen, oder nach Norden, oder nach Westen, oder nach Osten, wie es ihm in den Sinn kam, und das Ziel suchen, das ihm gerade erstrebenswert erschien. Er hatte seine Heimat verlassen, um fortzugehen, und nicht, um sich irgend etwas zu nähern. Eine größere Freiheit als diese gab es nicht.
9 Cooper
Peggy Larner achtete auf beide dieser hellen Herzfeuer: auf Alvin, während er durch Amerika wanderte, und auf Calvin, während er nach England reiste und sich auf seine Audienz bei Napoleon vorbereitete. Auf den möglichen Zukunftswegen, die sie sah, traten kaum Veränderungen ein, denn beide hatten ihre Pläne kein bißchen geändert.
Alvins Plan war natürlich überhaupt kein Plan. Er und Arthur Stuart reisten zu Fuß vom Mizogan gen Westen, vorbei an der immer größer werdenden Stadt Chicago und weiter, bis die dichten Nebel des Mizzipy sie zur Umkehr zwangen. Alvin hatte die verschwommene Hoffnung gehegt, endlich die Erlaubnis zu bekommen, den Mizzipy zu überqueren, aber sollte so etwas je möglich sein, dann ganz bestimmt noch nicht jetzt. Also wandte er sich in nördliche Richtung bis zum High Water Lake, wo er an Bord eines der neuen Dampfschiffe ging, die Eisenerz nach Irrakwa
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