Der Reisende

Titel: Der Reisende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orson Scott Card

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nicht mehr berühren. Nein, das Werkzeug des Unschöpfers mußte jetzt viel feiner sein. Jetzt würde er Menschen benutzen. Menschen wie Amy Sump, die willensschwach oder gierig oder verträumt oder faul waren, sich aber alle leicht benutzen ließen. Nun bargen die Menschen für ihn die Gefahr. Wasser war für die, die schwimmen konnten, ungefährlich, und Alvin zählte dazu.
    »Wie wäre es mit einem Sprung ins Wasser?« fragte Alvin.
    Arthur zuckte mit den Achseln. Als sie damals zusammen ins Wasser des Hio gesprungen waren, waren die letzten Spuren von Arthurs altem Ich abgewaschen worden. Aber darum ging es jetzt nicht. Sie zogen sich einfach aus und schwammen in dem See, während die Sonne unterging, und legten sich dann zum Trocknen ins Gras, und das Mondlicht leuchtete auf dem Wasser, und eine Brise machte die feuchte Luft so kühl, daß man schlafen konnte. Während des gesamten Marsches hatten sie kein Wort gesagt, sich einfach in perfekter Harmonie durch den Wald bewegt, bis sie das Seeufer erreicht hatten. Auch als sie schwammen, sagten sie nichts und spritzten auch kaum, so sehr waren sie mit allem und miteinander in Harmonie. Und daher fuhr Alvin erschrocken zusammen, als sie dort in der Dunkelheit lagen und Arthur plötzlich etwas zu ihm sagte.
    »Davon hat Amy geträumt, nicht wahr?«
    Alvin dachte einen Augenblick lang darüber nach. Dann stand er auf und zog sich an. »Ich schätze, wir sind jetzt trocken«, sagte er.
    »Glaubst du, sie hat vielleicht einen wahren Traum gehabt? Nur, daß nicht sie es war, sondern ich?«
    »Ich hab dich nicht umarmt oder unnatürliche Dinge angestellt, als wir nackt im Wasser waren«, sagte Alvin.
    Arthur lachte. »Es war auch nichts Unnatürliches daran, wovon sie geträumt hat.«
    »Es war kein wahrer Traum.«
    Arthur stand auf und zog sich ebenfalls an. »Diesmal habe ich das grüne Lied gehört, Alvin. Dreimal ließ ich deine Hand los, und ich habe es trotzdem noch ziemlich lange gehört, bis es dann allmählich verblich und ich deine Hand wieder anfassen oder zurückbleiben mußte.«
    Alvin nickte, als hätte er genau damit gerechnet. Aber das hatte er nicht. Er hatte zwar versucht, den Leuten von Vigor Church etwas beizubringen, aber bei Arthur Stuart hatte er sich nicht großartig angestrengt und ihn statt dessen in die Schule geschickt, damit er lesen und schreiben lernte. Aber nun stellte sich heraus, daß Arthur vielleicht trotz allem sein bester Schüler war.
    »Willst du auch ein Schöpfer werden?« fragte Alvin.
    Arthur schüttelte den Kopf. »Ich doch nicht«, sagte er. »Ich will nur dein Freund sein.«
    Alvin sprach nicht aus, was er im Herzen dachte: Um mein Freund zu sein, mußt du vielleicht einfach nur ein Schöpfer sein. Er mußte es nicht sagen. Arthur verstand immer.
    Der Wind frischte in der Nacht ein wenig auf, und weit draußen über dem See erhellten Blitze die Unterseite ferner Wolken. Arthur atmete leise im Schlaf; Alvin konnte ihn in der Stille hören, lauter als das Flüstern des fernen Donners. Er hätte sich einsam fühlen sollen, doch dem war nicht so. Die Atemzüge in der Dunkelheit neben ihm hätten die Ta-Kumsaws während ihrer langen Reise vor so vielen Jahren sein können, als Alvin der Renegado-Junge genannt wurde und das Schicksal der Welt in der Schwebe zu hängen schien. Oder es hätten die seines Bruders Calvin sein können, als sie sich als Kinder ein Zimmer geteilt hatten; Alvin erinnerte sich noch daran, wie er als Baby in einer Krippe und dann in einer Wiege gelegen und zu ihm aufgeschaut hatte, als sei er Gott, als wisse er etwas, das kein anderer Mensch wußte. Nun ja, ich habe es gewußt, aber ich habe Calvin trotzdem verloren. Und ich habe Ta-Kumsaws Leben gerettet, konnte aber gar nichts tun, um seine Sache zu retten, und auch er ist für mich verloren, jenseits des Flusses im Nebel des roten Westens.
    Und das Atmen hätte das einer Ehefrau sein können, statt nur der Traum von einer. Alvin versuchte sich Amy Sump dort in der Dunkelheit vorzustellen, und obwohl Measure damit recht hatte, daß es eine elende Ehe gewesen wäre, war und blieb ihr Gesicht hübsch, und in diesem Augenblick der einsamen Schlaflosigkeit konnte Alvin sich vorstellen, daß ihr junger Körper unter seiner Berührung süß und warm und ihr Kuß eifrig und voller Leben und Hoffnung war.
    Dieses Bild schüttelte er schnell ab. Amy war nicht für ihn bestimmt, und schon allein, sie sich auf diese Weise vorzustellen, kam ihm irgendwie wie ein