Der Report der Magd
Abend gemietet«, sagt er. Dann faßt er mich an meinem nackten Oberarm und steuert mich vorwärts. Ich könnte einen Spiegel gebrauchen, um zu sehen, ob mein Lippenstift in Ordnung ist, ob die Federn nicht zu lächerlich aussehen, zu ordinär. In dieser Beleuchtung muß ich gespenstisch aussehen. Aber jetzt ist es zu spät.
Idiot, sagt Moira.
Kapitel siebenunddreißig
Wir gehen den Gang entlang und durch eine andere flache graue Tür, und dann einen weiteren Gang entlang, der diesmal mit mildem Licht beleuchtet und mit Teppichboden in einer Pilzfarbe, bräunlich-rosa, ausgelegt ist. Türen gehen davon ab, mit Zahlen darauf, einhunderteins, einhundertzwei, so wie man bei einem Gewitter zählt, um zu sehen, wie nahe man daran ist, vom Blitz getroffen zu werden. Dann ist es also ein Hotel. Aus einer der Türen kommt Gelächter, von einem Mann und auch einer Frau. Es ist lange her, seit ich zum letzten Mal jemanden lachen hörte.
Wir kommen in einen Innenhof. Er ist weitläufig und auch sehr hoch: er reicht über mehrere Stockwerke hinauf bis zu einem Oberlicht. In der Mitte steht ein Springbrunnen, ein runder, Wasser sprühender Brunnen, in der Form einer Pusteblume. Pflanzen und Bäume grünen hier und da, von den Balkongittern hängen Schlingpflanzen herunter. Gläserne Fahrstühle mit ovalen Seiten, die wie riesige Mollusken aussehen, schweben an den Wänden hinauf und herab.
Ich weiß, wo ich bin. Ich bin schon öfter hier gewesen: mit Luke, nachmittags, vor langer Zeit. Damals war es ein Hotel. Jetzt ist es voller Frauen.
Ich bleibe stehen und starre sie an. Hier kann ich starren, um mich schauen, keine weißen Flügel halten mich davon ab. Mein von ihnen befreiter Kopf kommt mir seltsam leicht vor, als wäre ein Gewicht von ihm genommen, oder Substanz.
Die Frauen sitzen, räkeln sich, spazieren umher, lehnen sich aneinander. Männer sind unter sie gemischt, viele Männer, aber in ihren dunklen Uniformen oder Anzügen, die einander so ähnlich sehen, bilden sie nur eine Art Kulisse. Die Frauen dagegen sind tropisch: sie tragen alle möglichen festlichen bunten Kostüme. Manche von ihnen haben Anzüge an wie ich, Federn und Glimmer, mit hohem Bein- und tiefem Brustausschnitt. Manche sind in Dessous aus alten Zeiten gehüllt, kurze Nachthemdchen, Baby-Doll-Schlafanzüge, einige in ein durchsichtiges Negligé. Manche haben Badeanzüge an, einteilige oder Bikinis; eine trägt, wie ich sehe, ein gehäkeltes Etwas mit großen Seemuscheln, die ihre Brüste bedecken. Manche tragen Joggingshorts und ärmellose Sonnentops, manche Gymnastikanzüge wie die, die früher im Fernsehen zu sehen waren, hauteng, mit gestrickten pastellfarbenen Legwarmers. Es gibt sogar ein paar in Cheerleader-Kostümen: kurze Faltenröckchen und mit riesigen Buchstaben quer über der Brust. Wahrscheinlich mußten sie auf ein buntes Sammelsurium zurückgreifen, alles das, was sie irgendwo schnorren oder retten konnten. Alle tragen Make-up, und ich merke, wie ungewohnt es mir geworden ist, das an Frauen zu sehen, denn ihre Augen erscheinen mir zu groß, zu dunkel und glänzend, ihre Münder zu rot, zu naß, blutgetränkt und glänzend – oder aber zu clownshaft.
Auf den ersten Blick hat die Szene etwas Fröhliches. Es ist wie eine Faschingsparty – sie wirken wie zu groß geratene Kinder, die in Truhen Klamotten aufgestöbert und sich damit verkleidet haben. Ob es ihnen Spaß macht? Das könnte schon sein, aber haben sie es freiwillig gemacht? Das kann man vom bloßen Anschauen nicht erkennen.
Es gibt so viele Hintern in diesem Raum. Daran bin ich nicht mehr gewöhnt.
»Es ist wie ein Spaziergang in die Vergangenheit«, sagt der Kommandant. Seine Stimme klingt erfreut, ja sogar entzückt. »Findest du nicht?«
Ich versuche, mich daran zu erinnern, ob die Vergangenheit genau so war. Ich bin da jetzt nicht mehr sicher. Ich weiß, daß sie diese Dinge enthielt, aber irgendwie ist die Mischung anders. Ein Film über die Vergangenheit ist nicht dasselbe wie die Vergangenheit.
»Ja«, sage ich. Dabei empfinde ich überhaupt nichts. Ganz bestimmt bin ich nicht entsetzt über diese Frauen, nicht schockiert. Ich erkenne sie als pflichtvergessene Schwänzerinnen. Das offizielle Glaubensbekenntnis leugnet sie, leugnet ihre Existenz, und doch sind sie hier. Das ist zumindest etwas.
»Starr nicht so«, sagt der Kommandant. »Sonst verrätst du dich. Verhalte dich ganz natürlich.« Wieder schiebt er mich vorwärts. Ein anderer Mann hat ihn
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