Der Report der Magd
der Umhang muß Serena gehören.
»Zieh dir die Kapuze ins Gesicht«, sagt er. »Versuch, das Make-up nicht zu verschmieren. Es ist nötig, um durch die Kontrollen zu kommen.«
»Aber was ist mit meinem Paß?« sage ich.
»Mach dir keine Sorgen«, sagt er. »Ich habe einen für dich.«
Und so machen wir uns auf den Weg.
Wir gleiten zusammen durch die dunkel werdenden Straßen. Der Kommandant hält meine rechte Hand, als wären wir Jugendliche im Kino. Ich ziehe das himmelblaue Cape eng um mich, wie es sich für eine gute Ehefrau gehört. Durch den Tunnel, den die Kapuze freiläßt, sehe ich Nicks Hinterkopf. Seine Mütze sitzt gerade, er sitzt gerade, sein Hals ist gerade, er ist durch und durch gerade. Seine Haltung drückt Mißbilligung aus, oder bilde ich mir das nur ein? Weiß er, was ich unter diesem Umhang anhabe, hat er es besorgt? Und falls ja, ärgert es ihn oder macht es ihn lüstern oder neidisch oder irgend etwas? Wir haben doch etwas gemeinsam: von uns beiden wird erwartet, daß wir unsichtbar sind, beide sind wir Funktionäre. Ich frage mich, ob er das weiß. Als er den Wagenschlag für den Kommandanten aufriß und im Anschluß daran auch für mich, versuchte ich, seinen Blick aufzufangen, ihn dazu zu bringen, mich anzuschauen, aber er tat, als sähe er mich nicht. Warum wohl nicht? Weil es ein leichter Job für ihn ist, kleine Besorgungen zu machen, kleine Gefallen zu tun, und er will ihn auf keinen Fall gefährden.
Die Kontrollpunkte sind kein Problem, alles geht so glatt, wie der Kommandant es vorausgesagt hat, trotz des heftigen Klopfens, trotz des Drucks in meinem Kopf. Schiß, würde Moira sagen.
Hinter dem zweiten Kontrollpunkt sagt Nick: »Hier, Sir?« Und der Kommandant sagt: »Ja.«
Das Auto fährt an den Straßenrand, und der Kommandant sagt: »Jetzt muß ich dich bitten, daß du dich auf den Boden des Wagens legst.«
»Auf den Boden?« sage ich.
»Wir müssen durch das Tor«, sagt er, als ob mir das irgend etwas sagen würde. Ich habe versucht, aus ihm herauszubringen, wohin wir fahren, aber er hat gesagt, daß er mich überraschen wolle. »Ehefrauen dürfen nicht hinein.«
Also lege ich mich flach auf den Boden, und das Auto fährt wieder los, und die nächsten paar Minuten sehe ich gar nichts. Unter dem Umhang ist es stickig heiß. Es ist ein Winterumhang, kein sommerlicher aus Baumwolle, und er riecht nach Mottenkugeln. Er muß ihn aus dem Lagerraum geholt haben, weil er wußte, daß sie es dann nicht merken würde. Er hat höflicherweise seine Füße beiseitegerückt, damit ich mehr Platz habe. Trotzdem liegt meine Stirn fast an seinen Schuhen. Ich bin noch nie so dicht an seinen Schuhen gewesen. Sie fühlen sich hart an, unnachgiebig, wie die Panzer von Käfern: schwarz, poliert, unerforschlich. Sie scheinen nichts mit Füßen zu tun zu haben.
Wir passieren einen weiteren Kontrollpunkt. Ich höre die Stimmen, unpersönlich, respektvoll, und das Fenster, das sich elektrisch senkt und hebt. Die Pässe werden vorgezeigt. Diesmal wird er meinen nicht vorzeigen, den, der als meiner gilt, da ich in diesem Moment nicht offiziell existiere.
Dann fährt das Auto los, und dann hält es wieder, und der Kommandant hilft mir auf.
»Wir werden uns beeilen müssen«, sagt er. »Dies ist ein Hintereingang. Du solltest den Umhang bei Nick lassen. Zur gleichen Stunde, wie üblich«, sagt er zu Nick. Auch das hat er also schon einmal getan.
Er hilft mir aus dem Umhang; die Autotür wird geöffnet. Ich spüre Luft an meiner fast bloßen Haut und merke, daß ich geschwitzt habe. Als ich mich umdrehe, um die Autotür hinter mir zu schließen, sehe ich, daß Nick mich durch die Scheibe hindurch anschaut. Jetzt sieht er mich. Ist es Verachtung, was ich in seinem Blick lese, oder Gleichgültigkeit? Hat er nichts anderes von mir erwartet?
Wir sind in einem Hof hinter einem Gebäude, roter Backstein und eher modern. Neben der Tür steht eine Reihe von Mülleimern, und der Geruch von schlechtgewordenen Brathähnchen hängt in der Luft. Der Kommandant hat einen Schlüssel für die Tür, die unauffällig und grau ist und glatt mit der Wand abschließt, eine Stahltür, wie ich annehme. Drinnen ist ein Gang mit Betonblockwänden, der von fluoreszierenden Deckenleuchten erhellt wird, eine Art funktionaler Tunnel.
»Hier«, sagt der Kommandant. Er streift mir ein Anhängerschildchen ums Handgelenk, lila, an einem Gummi, wie die Schildchen für Fluggepäck. »Wenn jemand fragt, sag, du bist für den
Weitere Kostenlose Bücher