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Der Report der Magd

Der Report der Magd

Titel: Der Report der Magd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret Atwood
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sie definiert uns, und wir müssen ihre Adjektive erleiden.
    Ich denke über Perlen nach. Perlen sind erstarrter Austernspeichel. Das werde ich Moira erzählen, später – falls ich kann.
    Wir werden euch hier schon auf Vordermann bringen, sagt Tante Lydia befriedigt und gutgelaunt.
     
    Der Wagen hält, die hintere Tür wird geöffnet, der Wächter treibt uns hinaus. An der Haustür steht ein weiterer Wächter, mit einem dieser stumpfnasigen Maschinengewehre über der Schulter. Wir gehen im Gänsemarsch durch den Nieselregen zur Haustür, die Wächter salutieren. Der große Notdienstwagen, der mit den Geräten und den mobilen Ärzten, parkt in einiger Entfernung an der halbmondförmigen Einfahrt. Ich sehe einen der Ärzte aus dem Wagenfester herausschauen. Was sie da drinnen wohl tun, während sie warten? Höchstwahrscheinlich spielen sie Karten, oder lesen, irgendeine männliche Beschäftigung. Meistens werden sie gar nicht gebraucht; sie werden nur zugelassen, wenn es nicht anders geht.
    Früher war es anders, da hatten sie, die Ärzte, die Verantwortung. Eine Schande war das, sagte Tante Lydia. Schändlich. Sie hatte uns gerade einen Film gezeigt, der in einem Krankenhaus der alten Zeit gedreht worden war: eine Schwangere, mit einem Apparat verdrahtet, überall kamen Elektroden aus ihr heraus, so daß sie wie ein kaputter Roboter aussah, einen Tropf mit Zuleitung in den Arm. Ein Mann, der mit einer Taschenlampe zwischen ihre Beine schaute, wo man sie rasiert hatte, dieses junge, bartlose Mädchen, ein Tablett voller blitzender sterilisierter Messer, und die Leute, alle mit Masken vor dem Gesicht. Eine kooperative Patientin. Früher haben sie die Frauen betäubt, die Wehen eingeleitet, sie aufgeschnitten, sie zugenäht. Jetzt nicht mehr. Es gibt nicht einmal mehr schmerzlindernde Mittel. Tante Elizabeth sagte, es sei besser für das Baby, aber auch: Ich will dir viel Mühsal schaffen, wenn du schwanger wirst; unter Schmerzen sollst du Kinder gebären. Das bekamen wir mittags serviert, zu den mit Salat belegten Broten.
    Während ich die Vortreppe hinaufgehe – breite Stufen mit je einer Urne aus Stein zu beiden Seiten – Deswarrens Kommandant muß einen höheren Status haben als unserer –, höre ich eine andere Sirene. Es ist das blaue Geburtsmobil für die Ehefrauen. Das dürfte Serena Joy sein, die mit großem Zeremoniell ankommt. Für die Ehefrauen sind keine Bänke vorgesehen, sie haben richtige Sitze, mit Polstern. Sie schauen nach vorn und sind nicht von der Fahrerkabine abgetrennt. Sie wissen, wohin sie fahren.
    Wahrscheinlich ist Serena Joy früher schon einmal hier gewesen, zum Tee. Wahrscheinlich ist Deswarren, früher das ewig jammernde Miststück Janine, ihr und den anderen Ehefrauen vorgeführt worden, damit sie ihren Bauch sahen, ihn vielleicht sogar befühlen und der Ehefrau gratulieren konnten. Ein starkes Mädchen, gute Muskeln. Kein Agent Orange kommt in ihrer Familie vor, wir haben in den Unterlagen nachgesehen, man kann nicht vorsichtig genug sein. Und vielleicht eine der Netteren: Möchtest du ein Plätzchen, Liebes?
    Nicht doch, du verwöhnst sie, zu viel Zucker ist schlecht für sie.
    Aber eins macht doch nichts, nur dieses eine, Mildred.
    Und Janine mit gespitztem Mündchen: O ja, bitte, Ma'am, darf ich?
    So eine …, so wohlerzogen, nicht mürrisch wie manche von ihnen, die tun nur, was sie müssen, und fertig. Eher wie eine Tochter für dich, könnte man fast sagen. Als gehörte sie zur Familie. Zufriedenes Matronenlachen. Das war alles, Liebes, du kannst jetzt wieder in dein Zimmer gehen.
    Und nachdem sie gegangen ist: Kleine Huren, alle miteinander, aber was soll's, man kann nicht wählerisch sein. Man nimmt, was sie einem geben, stimmt's, Mädels? Soweit die Ehefrau des Kommandanten.
    Oh, du hast aber wirklich Glück gehabt! Manche von ihnen, also, die sind doch nicht einmal sauber. Und lächeln dich niemals an, hocken trübselig in ihrem Zimmer, waschen sich nicht die Haare – dieser Geruch! Ich muß die Marthas holen, damit sie es tun, sie müssen sie fast in der Badewanne festhalten, du mußt sie praktisch bestechen, um sie dazu zu bringen, daß sie überhaupt badet, drohen mußt du ihr.
    Ich mußte bei meiner strenge Maßnahmen ergreifen, und jetzt ißt sie nicht mehr ordentlich. Und was das andere angeht: da tut sich gar nichts, und dabei waren wir so schön regelmäßig. Aber deine, auf die kannst du wirklich stolz sein. Und jetzt kann es jeden Tag passieren, oh, bist du

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