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Der Report der Magd

Der Report der Magd

Titel: Der Report der Magd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret Atwood
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wie es anders war.
    Sie sagte: Weil sie sich nicht mehr wünschen werden, was sie nicht kriegen können.
     
    Einmal in der Woche sahen wir Filme, nach dem Mittagessen und vor unserer Ruhezeit. Wir saßen auf unseren kleinen grauen Matten auf dem Fußboden im Hauswirtschaftsraum und warteten, während Tante Helena und Tante Lydia mit dem Projektionsapparat kämpften. Wenn wir Glück hatten, fädelten sie den Film nicht verkehrt herum ein. Mich erinnerte es immer an die Geographiestunden in meiner High School vor Tausenden von Jahren, wo Filme aus der übrigen Welt gezeigt wurden: Frauen in langen Röcken oder billigen, bunt bedruckten Kleidern, die Holzbündel trugen oder Körbe oder Plastikeimer mit Wasser aus irgendeinem Fluß, mit Babys in umgebundenen Tüchern oder Netzen, die argwöhnisch oder ängstlich von der Leinwand auf uns herabschauten – sie wußten, daß ihnen von einer Maschine mit einem Glasauge irgend etwas angetan wurde, aber sie wußten nicht, was. Diese Filme waren tröstlich und eine Spur langweilig. Sie wirkten immer einschläfernd auf mich, auch wenn Männer auf der Leinwand erschienen, mit nackten Muskeln, Männer, die mit primitiven Hacken und Schaufeln auf die Erde einhackten, Felsbrocken schleppten. Besser gefielen mir die Filme, in denen Tänze vorkamen, Gesänge, Kultmasken, geschnitzte Instrumente zum Musikmachen: Federn, Messingknöpfe, Muschelschalen, Trommeln. Ich betrachtete diese Menschen gern, wenn sie glücklich waren, aber nicht, wenn es ihnen schlecht ging, wenn sie hungerten, ausgemergelt waren, sich für eine simple Sache zu Tode mühten, zum Beispiel, um einen Brunnen    zu    graben,    für    die    Bewässerung    von    Land, Schwierigkeiten, die in den Industrienationen schon vor langer Zeit gelöst worden waren. Ich meinte, irgend jemand sollte ihnen das technische Wissen vermitteln und sie dann selbst machen lassen.
    Solche Filme zeigte Tante Lydia nicht.
    Manchmal war der vorgeführte Streifen ein alter Pornofilm aus den siebziger oder achtziger Jahren. Kniende Frauen, die an Penisen oder Pistolen lutschten, gefesselte oder angekettete Frauen, Frauen mit Hundehalsbändern, Frauen, die von Bäumen hingen oder mit dem Kopf nach unten, nackt, mit gespreizten Beinen, Frauen, die vergewaltigt wurden, geschlagen, getötet. Einmal mußten wir zuschauen, wie eine Frau nach und nach in Stücke gehackt wurde, die Finger und Brüste mit einer Gartenschere abgeschnitten, der Bauch aufgeschlitzt, die Eingeweide herausgezogen.
    Bedenkt die Alternativen, sagte Tante Lydia. Seht ihr nun, wie alles war? So haben sie damals über Frauen gedacht! Ihre Stimme zitterte vor Empörung.
    Moira sagte hinterher, das seien keine echten Aufnahmen, so etwas werde mit Modellen gemacht, aber das war nur schwer zu erkennen.
    Manchmal waren es jedoch auch Filme, die Tante Lydia als Unfrauen-Dokumentation bezeichnete. Stellt euch vor, sagte Tante Lydia, so haben sie ihre Zeit verschwendet, wo sie doch etwas Nützliches hätten tun können! Damals verschwendeten die Unfrauen immer ihre Zeit. Und sie wurden auch dazu ermutigt. Sie bekamen sogar Geld von der Regierung, um eben das zu tun. Obwohl manche ihrer Ideen sogar ganz vernünftig waren, fuhr sie fort, mit der selbstgerechten Autorität eines Menschen, der durch seine Position in der Lage ist, Urteile zu fällen. Manche ihrer Ideen sollten wir ihnen zugutehalten, auch heute noch. Nur manche, wohlgemerkt, sagte sie in geziertem Ton und hob dabei drohend den Zeigefinger. Denn sie waren gottlos, und das kann das Bild sehr verändern, meint ihr nicht auch?
    Ich sitze auf meiner Matte, mit gefalteten Händen, und Tante Lydia tritt zur Seite, fort von der Leinwand, und das Licht geht aus, und ich überlege, ob ich mich im Dunkeln, ohne gesehen zu werden, weit nach rechts hinüberbeugen und der Frau neben mir etwas zuflüstern kann. Was werde ich ihr zuflüstern? Ich werde fragen: Hast du Moira gesehen? Denn niemand hat sie gesehen, sie war nicht beim Frühstück. Der Raum ist jetzt abgedunkelt, aber nicht dunkel genug, deshalb zwinge ich meine Gedanken zu jener Art Stillstand, die als Aufmerksamkeit durchgehen kann. Bei Filmen wie diesem spielen sie den Ton nicht, wohl aber bei den Pornofilmen. Sie wollen, daß wir die Schreie und das Grunzen und das Quietschen hören, das entweder äußersten Schmerz oder äußerste Lust oder beides zugleich ausdrückt, aber sie wollen nicht, daß wir hören, was die Unfrauen sagen.
    Zuerst kommen

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