Der Report der Magd
werde auf sie vorbereitet sein.
Auch das ist einer meiner Glaubenssätze. Auch dieser mag falsch sein.
Einer der Grabsteine auf dem Friedhof bei der ältesten Kirche trägt einen Anker und ein Stundenglas und die Worte: In Hoffnung.
In Hoffnung. Warum haben sie das über einen Toten gesagt? War der Leichnam voller Hoffnung, oder waren es die noch Lebenden?
Hofft Luke?
VIII
Geburts-Tag
Kapitel neunzehn
Ich träume, daß ich wach bin.
Ich träume, daß ich aus dem Bett steige und durch das Zimmer gehe, nicht dieses Zimmer, und zur Tür hinausgehe, nicht zu dieser Tür. Ich bin zu Hause, in einem meiner Zuhause, und sie kommt mir entgegengelaufen, in ihrem kleinen grünen Nachthemd mit der Sonnenblume über der Brust, mit bloßen Füßen, und ich hebe sie hoch und spüre, wie ihre Arme und Beine sich um mich legen, und ich fange an zu weinen, weil ich jetzt weiß, daß ich nicht wach bin. Ich versuche aufzuwachen, und ich wache auf, sitze auf der Bettkante, und meine Mutter kommt herein, mit einem Tablett, und fragt mich, ob es mir besser geht. Wenn ich als Kind krank war, mußte sie zu Hause bleiben und konnte nicht zur Arbeit gehen. Aber auch diesmal bin ich nicht wach.
Nach diesen Träumen wache ich wirklich auf, und ich weiß, daß ich wirklich wach bin, weil dort an der Decke der Kranz ist und weil die Gardinen wie ertrunkenes weißes Haar hängen. Ich fühle mich wie unter Drogen. Ich ziehe es in Betracht: vielleicht setzen sie mich unter Drogen. Vielleicht ist das Leben, das ich zu leben glaube, ein paranoider Wahn.
Keine Hoffnung. Ich weiß, wo und wer ich bin, und welcher Tag heute ist. Das sind die Testfragen, und ich bin bei geistiger Gesundheit. Geistige Gesundheit ist ein wertvoller Besitz; ich horte ihn so, wie Menschen einst Geld gehortet haben. Ich spare sie, damit ich genug davon habe, wenn die Zeit kommt.
Trübes Grau dringt durch die Gardinen, dunstiges Licht, nicht viel Sonne heute. Ich stehe auf, gehe ans Fenster, knie mich auf den Fenstersitz, auf das harte kleine Kissen GLAUBE und schaue hinaus. Draußen ist nichts zu sehen.
Ich überlege, was wohl aus den anderen beiden Kissen geworden ist. Es muß einst drei gegeben haben. LIEBE und HOFFNUNG, WO sind diese zwei verstaut worden? Serena Joy ist eine ordentliche Frau. Sie würde nichts fortwerfen, was nicht völlig zerschlissen ist. Eins für Rita, eins für Cora? Die Glocke läutet, ich bin schon vorher auf, vor der Zeit. Ich ziehe mich an, ohne an mir hinunterzuschauen.
Ich sitze auf dem Stuhl und denke über das Wort Stuhl nach. Es kann auch Vorsitz über etwas bedeuten: der Heilige Stuhl. Es kann auch eine Hinrichtungsform bedeuten: der elektrische Stuhl. Es ist der erste Teil des Wortes Stuhlgang. Keines dieser Dinge hat mit den anderen etwas zu tun.
Das sind die Litaneien, mit deren Hilfe ich mich zu fassen versuche.
Vor mir steht ein Tablett, und auf dem Tablett sind ein Glas Apfelsaft, eine Vitamintablette, ein Löffel, ein Teller mit drei Scheiben braunem Toast, ein Schüsselchen, das Honig enthält, und noch ein Teller mit einem Eierbecher darauf von der Sorte, die wie ein Frauentorso aussehen, mit Rock. Unter dem Rock ist das zweite Ei und wird dort warmgehalten. Der Eierbecher ist aus weißem Porzellan mit einem blauen Streifen.
Das erste Ei ist weiß. Ich verrücke den Eierbecher ein wenig, so daß er jetzt im wäßrigen Sonnenlicht steht, das durch das Fenster kommt und, heller werdend, verblassend und wieder heller werdend, auf das Tablett fällt. Die Eierschale ist glatt und zugleich körnig; kleine Kiesel von Kalzium werden vom Sonnenlicht herausgearbeitet, wie Krater auf dem Mond. Es ist eine kahle Landschaft, und doch ist sie perfekt; es ist eine Wüste wie jene, in die die Heiligen sich begaben, auf daß ihr Geist nicht vom Überfluß abgelenkt würde. Ich denke, so müßte Gott aussehen: wie ein Ei. Das Leben des Mondes ist vielleicht nicht an der Oberfläche, sondern innen.
Das Ei glüht jetzt, als hätte es seine eigene Energie. Das Ei anzusehen erfüllt mich mit intensivem Vergnügen.
Die Sonne geht fort, und das Ei verblaßt.
Ich nehme das Ei aus dem Eierbecher und befühle es einen Moment lang. Es ist warm. Frauen haben früher solche Eier zwischen den Brüsten getragen, um sie auszubrüten. Es muß sich schön angefühlt haben.
Das minimalistische Leben. Vergnügen ist ein Ei. Segnungen, die man zählen kann, an den Fingern einer Hand. Doch möglicherweise ist genau das die Reaktion, die
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