Der Retter von Dent-All
Kronen und Brücken Spezialkenntnisse und lange Übung voraussetzte.
Der Raumschiffkapitän sah Dillingham mit großen Augen bei der Arbeit zu. Diese Fremdlinge wußten offenbar so wenig wie die Einheimischen von der Laborarbeit eines Dentisten. Was hatten die eigentlich erwartet? Ganz sicher bestand eine — wenn auch nur entfernte — Verwandtschaft zwischen der irdischen und der galaktischen Zahntechnik auf dem Nördlichen Spiralnebel oder woher die Fremdlinge auch immer gekommen sein mochten. Physikalische Gesetze konnte man nicht durchbrechen, gleichgültig, welche Sprache man redete und welche Zivilisation man entwickelte.
Zuerst füllte Dillingham den Abdruck mit Zahnzement, entfernte die Luftblasen mit der Zentrifuge und setzte dann die Stifte und Schlaufen ein, damit jeder
Zahn als Einzelstück nachgebildet werde konnte. Während der Zahnzement sich erhärtete, demonstrierte Dillingham seinem Patienten, welche Phasen die Arbeit noch durchlaufen mußte. Zunächst kam das Wachsmodell der Krone, das dem echten Zahn naturgetreu nachgebildet werden mußte. Dann wurde der Gießzapfen befestigt, damit das Modell und der sich anschließende Guß sorgfältig bearbeitet werden konnten. Als nächstes folgte die Gußhülle, die aus festem Material um das Wachsmodell herumgelegt wurde. Dann schloß sich das Ausbrennen an: Die Gußhülle wurde von Wachs befreit, so daß eine einwandfreie Gußform für das flüssige Metall zurückblieb.
Er versuchte erst gar nicht, seinem Patienten die Probleme zu schildern, die beim Guß entstanden, weil das Metall und die Form sich zuerst ausdehnten und dann wieder schrumpften. Zum Schluß mußte er jede Metallkrone abbeizen, schleifen und polieren.
Der Kommandant schien völlig verwirrt, obwohl es sich hier um eine Routinearbeit handelte. Doch in seinem Laboratorium war Dillingham der Chef, auch wenn draußen die Welt unterging.
Dillingham drehte die Zeiger an der Wanduhr, um seinem Patienten zu zeigen, wie lange die Arbeit dauern würde. Wenn diese galaktischen Besucher sich so gut auf der Erde auskannten, daß sie auf Anhieb einen Spezialisten für Zahnersatz fanden, wußten sie sicher auch über die Uhr und über Arbeitszeiten Bescheid.
Der Kommandant machte ein unglückliches Gesicht. Hatte er geglaubt, er bekäme in fünf Minuten neue Zähne? Wahrscheinlich hatte er gar nicht an den Zeitaufwand gedacht - wie die meisten Patienten. Immer das gleiche Lied. Die Zahnärzte beschäftigten sich mit jedem Patienten nur deshalb so lange, weil sie möglichst viel Geld aus ihm herauspressen wollten.
Der Kommandant zog jetzt einen Gegenstand aus der Tasche, der wie ein Plastikstab aussah. Nachdenklich kaute er mit den Backenzähnen der gesunden Hälfte seines Gebisses darauf herum. Dillingham fürchtete erst, es handle sich hier um eine neue Waffe. Doch er täuschte sich. Nun, dachte Dillingham, jede Rasse hat ihre Laster und Genußmittel. Die einen kauen Tabak und Bonbons, die anderen Stöcke.
Dann sah er, wie sein Patient den Stock seinem Untergebenen reichte. Dieser betrachtete ihn interessiert, nickte und holte sich einen Stuhl herbei. Er setzte sich darauf und hielt seine Prismenwaffe schußbereit, während der Kommandant das Labor verließ.
Die fremden Wesen hatten offenbar nicht die Absicht, Dillingham und seine Assistentin nur eine Sekunde aus den Augen zu lassen.
»Die denken an alles«, sagte Miss Galland seufzend.
Dillingham zuckte die Achseln und beugte sich wieder über die Gußform. Man wurde die ungebetenen Gäste wohl am besten los, wenn man die Arbeit so rasch wie möglich hinter sich brachte. Er zersägte die Gußform in vier Teile. Jeder Teil entsprach einem Ersatzzahn. Jetzt kam die kniffligste Arbeit - das Wachsmodell. Das Wachsmodell war das Muster für den Guß. Nicht der ursprüngliche Zahn, sondern das Wachsmodell war für die Form der Krone entscheidend. Der Abdruck legte nur fest, wo der Zahnersatz mit dem Zahnbein verbunden wurde. Die Kunst des Dentisten zeigte sich beim Wachsmodell. Das Wachsmodell war das funktionsgerechte und ästhetische Duplikat des gesunden Originals.
Dillingham spannte den Zementabdruck des Kiefers ein. Es war die schwierigste Arbeit, die ihm bisher in seiner Karriere begegnet war. Er mußte nicht nur ein natur-getreues Abbild, von den gesunden Zähnen anfertigen, sondern dazu noch ein spiegelgetreues Abbild. Denn er hatte ja nur die andere, gesunde Hälfte des Gebisses als Vorbild zur Verfügung. Für jeden Zahn würde er
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