Der Retter von Dent-All
oder uns diesen Wesen bemerkbar machen. Ich habe die Worte des Schmetterlings genausowenig hören können wie Sie.«
»Oh«, sagte Judy nur verwirrt.
Ein dickbauchiger Schmetterling mit haarigen Fühlern krabbelte auf den Balkon. Er schielte einen Moment über das Geländer, als beneide er die bunten Gaukelspiele seiner Vettern über den glitzernden Dächern der Stadt. Dann beugte die Motte den Kopf, rollte eine gewaltige Zunge aus dem Mund und säuberte damit die dicken Seidenfäden, aus denen die Mauern und Balkone gebaut waren. Judy bemerkte verdutzt, daß man dem Nachtfalter die Hügel gestutzt hatte, damit er nicht fortfliegen konnte.
»Die Tagelöhner kommen erst nachts aus ihren Schlupfwinkeln«, murmelte der Monarch mit verächtlicher Stimme. »Wir pflegen keinen Umgang mit ihnen, obwohl wir einsehen, daß die Zimmer auch mal gereinigt werden müssen.«
»Die Nachtfalter? Sie arbeiten für die Schmetterlinge?«
»So will es die Ordnung der Natur, da die Nachtfalter uns grundsätzlich unterlegen sind. Wir denken für sie und nehmen ihnen die Last der Entscheidung ab. Zweifellos sind die Nachtschwärmer glücklicher als wir.«
Der Monarch führte Judy in den Thronsaal, an der Motte vorbei, die gar nicht glücklich aussah, nur sehr entmutigt und niedergeschlagen.
»Sie werden mich jetzt in der Pflege der Zähne unter weisen«, sagte der Monarch.
Tatsächlich — der Monarch hatte Zähne! »Ich werde Ihre Zähne erst einmal säubern, Eure Majestät, während ich Ihnen die Zahnpflege erläutere.«
»Großartig«, sagte der Monarch, setzte sich auf den Thron und öffnete den Mund. Verblüffend menschenähnliche Zähne, vierundzwanzig an der Zahl. Davon waren sechzehn Schneidezähne und acht Backenzähne. Keine Zahnspitzen, ganz normaler Biß. Nach galaktischen Maßstäben war dieses Schmetterlingsgebiß mit Judys Zähnen so gut wie identisch.
Sie holte ihre Instrumente aus ihrer Tasche, stellte den Zerstäuber bereit und band ein weißes Tuch um den pelzigen Hals des Monarchen. Das ging gar nicht so leicht, denn Majestät hatte keinen nennenswerten Hals aufzuweisen. Sie hob einen spitzen Zahnreiniger vom Tablett und begann mit ihrer Untersuchung.
»Ihre Zähne sind nicht in der besten Verfassung, muß ich Ihnen leider sagen. Karies, und der Gaumen scheint entzündet...«
»Au!«
»Eben — schmerzempfindlich. Sie müssen unbedingt von einem Zahnarzt behandelt werden.«
»Ich soll einer Motte gestatten, meine königlichen Zähne anzubohren?«
»Verzeihung, Eure Majestät — haben Sie denn keine Schmetterlingsdentisten?«
»Natürlich nicht. Kein Schmetterling beschmutzt seine Würde mit einem Gewerbe.«
»Gewerbe? Zahnarzt ist ein Beruf!«
»Die Königswürde ist ein Beruf, meine Liebe. Jeder meiner Untertanen, der es wagen würde, ein Gewerbe zu betreiben, kommt unter das Licht.«
»Licht?«
»Nur eine euphemistische Umschreibung für das Wort Hinrichtung, meine Teure. Ich möchte Ihnen Einzelheiten ersparen, meine charmante Hygieneexpertin.« Erst jetzt erkannte er seine Taktlosigkeit. »Natürlich gibt es solche Beschränkungen für Fremdlinge nicht. Die Ansichten der Galaxis decken sich nicht immer mit unserer Schmetterlingsauffassung. Sie können schließlich nichts dafür, daß Sie unter Barbaren aufgewachsen sind.«
Judy erkannte jetzt den vollen Umfang ihres Problems. Kein Wunder, daß der Monarch sämtliche Zähne verloren hatte.
»Ich könnte Ihnen vielleicht helfen, das Leben Ihrer Zähne ein wenig zu verlängern. Retten kann ich sie nicht mehr. Dafür ist der Verfall bereits zu weit fortgeschritten.«
»Zehn Jahre Reise in die Vergangenheit waren also noch nicht genug?«
»Leider nein.«
»Erklären Sie sich näher?«
»Mundpflege verlangt mehr als Zahnbürste und Zahnpasta. Man muß den Rachen und die Lebensgewohnheiten berücksichtigen. Die Nahrung der primitiven Rassen ist in der Regel hart, zäh und grobkörnig. Die Kaumuskeln werden angestrengt, und die Zähne reinigen sich beim Beißen von selbst. Aber die Nahrung der hochzivilisierten Völker ist weich und klebrig. Viele wichtige Nährstoffe sind künstlich aus der Nahrung entfernt worden. Insbesondere gereinigter Zucker ist sehr schädlich.
Sie sollten sich davon fernhalten, wenn Sie Ihre Zähne schonen wollen.«
»Aber Süßigkeiten esse ich am liebsten!«
»Das sehe ich an Ihren Zähnen. Aber wenn Sie auf Näschereien schon nicht verzichten wollen, müssen Sie sich wenigstens regelmäßig die Zähne putzen. Ein
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