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Der Retuscheur

Der Retuscheur

Titel: Der Retuscheur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dimitri Stachow
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vergeblich nach einem Aschenbecher um, ließ die Asche ein paarmal auf den Fußboden fallen, machte einen langen Hals, um zu erkennen, was ihm denn da so interessant erschien. Er sah mich an.
    »Nun?!«
    »Was?«, fragte ich.
    Er nahm die Aktenmappe und lehnte sich auf seinem Stuhl zurück. Unter der Mappe lagen auf dem Tisch mein Ausweis und das Minajewa-Foto. Etwas veranlasste mich, zur Seite zu blicken. Auf einem zweiten Stuhl lag das halb eingerollte Foto des Restaurantbesitzers und seiner Freunde.
    »Ich habe eine Auftragsarbeit hingebracht«, sagte ich mit einem tiefen Seufzer. »Ich ging hinein und sah …«
    »Alles?«, fragte mich der Untersuchungsführer über die Aktenmappe hinweg.
    »Alles.«
    »Sonst hast du nichts zu sagen?« Er legte die Aktenmappe an den Tischrand und griff nach dem Minajewa-Foto. »Kann nicht sein!«
    »Das ist auch ein Auftrag.« Ich deutete mit der Zigarette auf das Foto. »Sie erwartete mich. Wir waren verabredet.«
    »Du arbeitest also für professionelle Diebe und ihre Weiber? Sie sind deine ständigen Auftraggeber?«
    »Nein, ich arbeite nicht für professionelle Diebe.« Da ich nichts fand, wo ich die ausgegangene Zigarette hintun konnte, zerdrückte ich sie langsam zwischen den Fingern. »Ich bin einfach öfter in diesem Restaurant gewesen. Sein Besitzer hat mich gebeten …«
    »Weiter!«
    »Was ›weiter‹?«
    »Bist reingegangen und hast gesehen … Weiter!«
    »Nichts weiter. Ihre Leute sind angerückt, haben sich auf mich gestürzt …«
    »Hör mal.« Er zog die Tischschublade auf, warf das Minajewa-Foto hinein, nahm ein anderes heraus, das er mit der Vorderseite nach unten auf den Tisch legte.
    »Ich höre«, erwiderte ich fügsam.
    Da neigte der Glatzkopf, die Schublade mit dem Bauch zuschiebend, sich vor, packte mich beim Kragen und zog mich zu sich heran.
    »Mach mich nicht fuchtig!«, sagte er leise. »Warum hast du uns nicht alarmiert? Warum bist du nicht gleich weggegangen? Warum bist du dort von einer Ecke zur anderen herumspaziert? Wozu hast du die Hülse eingesteckt? Wieso hast du das Bier getrunken?«
    »Bier?«, echote ich.
    »Bier!« Er löste seine Finger, ich sackte auf den Stuhl zurück. »Du denkst wohl, ich bin völlig blöd? Ich weiß doch über alles Bescheid!«
    »Nein, das denke ich nicht!«, sagte ich, aber das Aussehen eines klugen Menschen hatte er wirklich nicht. »Mir ist schon klar, dass Sie Bescheid wissen, aber …«
    »Schweig! Schweig, und hör zu!« Er spielte mit seinen etwas kurz geratenen Fingern, als nehme er Anlauf, wieder nach mir zu grapschen. »So ein Blutbad hat es bei uns lange nicht gegeben. Du kannst Gift drauf nehmen, dass ich die Sache aufklären werde. Du bist mein Zeuge. Und ich werde nicht von dir ablassen. Ich quetsche alles aus dir heraus, was du weißt. Rede besser von allein.«
    Ich platzte fast vor Neugier, was für ein Foto da auf seinem Tisch lag.
    »Nun?!«
    »Ich habe nichts zu sagen! Nichts!«
    »Sehr gut.« Er steckte sich eine Zigarette an. »Dann erzähl mal, wie du den Tag verbracht hast.«
    »Welchen?«
    »Den gestrigen, Teuerster, den gestrigen!«
    »Ich habe den ganzen Tag gearbeitet. In meinem Studio. Alina war da, dann ist sie weggefahren. Dann habe ich mich auf den Weg zum Restaurant gemacht. Das ist alles.«
    Er zog die Tischschublade auf und holte das Minajewa-Foto heraus.
    »Hieß sie Alina?«
    »Nein. Alina, die hat …«
    Er packte das Foto weg und drehte das auf dem Tisch liegende um: Ein mir völlig unbekannter Mann war darauf zu sehen, mit Lederjacke und breiten Schultern.
    »Kennst du den?« Der Glatzkopf klopfte mit dem Finger auf das Foto.
    »Den kenne ich nicht, aber als ich mich dem Restaurant näherte, habe ich solche in zwei Autos gesehen. Die haben auch geschossen. Wahrscheinlich …«
    »Der schießt nicht«, sagte der Glatzkopf, ließ das Foto des Breitschultrigen in der Schublade verschwinden, entnahm ihr ein Formular und begann es auszufüllen.
    »Übrigens – wie haben Sie geschlafen?«, fragte er, wobei er mich anblickte, als sehe er mich zum ersten Mal, und zum Sie überging.
    »Schlecht«, erwiderte ich.
    »Der Schlaf ist die zweite Gesundheit, Genrich Genrichowitsch. Und Sie können Gesundheit gut gebrauchen! So«, er schob mir das Formular hin, »unterschreiben Sie hier. Und hier.«
    Ich nahm den Füller und erhob mich leicht von meinem Stuhl.
    »Wo?«
    »Hier. Und hier.«
    Ich unterschrieb.
    »Ich an Ihrer Stelle würde immer durchlesen, was ich unterschreibe.« Der

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