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Der Richter aus Paris - Eine fast wahre Geschichte

Der Richter aus Paris - Eine fast wahre Geschichte

Titel: Der Richter aus Paris - Eine fast wahre Geschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Wickert
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stelle sich das mal vor, er, Fanon - ein Neger aus Martinique. Dabei hätte die Hitze Fanon ja nichts ausmachen dürfen. Wirklich, ein Neger aus der französischen Kolonie Martinique kommt in die französische Kolonie Algerien, nach Blida, und gibt sich als Apostel der Befreiung und des Kampfes gegen die französischen Kolonialherren aus, die ihm Lesen und Schreiben beigebracht haben! Ich lach' mich immer noch kaputt.«
    LaBrousse schüttelte sich wirklich für einen Moment. Dann fuhr er trocken fort: »Fanon hat schon früh die Mücke gemacht und ist nach Tunis abgehauen, als es ihm in Joinville zu heiß wurde. Vielleicht hat er gespürt, dass wir ihm auf den Fersen waren. Er hatte im Krankenhaus eine geheime Widerstandsgruppe aus Ärzten und Krankenschwestern gebildet, die den FLN-Leuten Medikamente lieferte, auch schon mal Schusswunden behandelte und Flüchtige aus dem Untergrund in Krankenbetten versteckte. Als Fanon weg war, übernahm Kadija die Führung der Gruppe und wurde als Chefin akzeptiert, vielleicht weil sie mit Larbi Ben M'Hidi, einem der Gründer der FLN, verwandt war. Ben M'Hidi war verantwortlich für die
    Attentate in Algier. Auch der kam aus einer wohlhabenden Familie vom Lande. Ein Intellektueller, hatte Theaterwissenschaften studiert.«
    »War sie seine Schwester?«
    »Nein, seine Krankenschwester. Ich weiß nicht mehr, wie sie miteinander verwandt waren. Wer weiß das schon bei den Arabern.«
    »Und wann kommen Sie ins Spiel?«
    »Ich gehörte damals als Fallschirmspringer zu der kleinen Truppe des Folterers von Algier, Paul Aussaresses. Was der gemacht hat, ist ja hinreichend bekannt, er hat es schließlich in seinen Memoiren über die Sondereinheiten in Algerien beschrieben, die vor zwei Jahren als Buch erschienen sind. Als Ben M'Hidi gefangen genommen worden war, haben wir ihn eines Nachts abgeholt - wir arbeiteten immer nur im Dunkeln -und zu einem verlassenen Bauernhof zwanzig Kilometer südlich von Algier gebracht, den wir uns schon einige Zeit zuvor besorgt hatten. Dort haben wir ihn aufgehängt, und schon ging die Anzahl der Attentate rapide zurück. Die Folgen seines Selbstmords waren für uns der Beweis für seine Schuld.«
    »Selbstmord?«
    »So nannten wir das. Und wir wurden insgeheim belobigt. Denn damals wusste man, dass man nur durch Foltern gegen die Terroristen weiterkam. Foltern wurde von oben toleriert, wenn nicht gar empfohlen.«
    »Nach dem Motto >Wir haben nur Befehle ausgeführt?«
    »Ja und? Das ist keine Ausrede. Damals war Franoois Mitterrand, den ihr Untersuchungsrichter ja so liebt, ich glaube er war Innen- oder Justizminister...«
    »Justizminister!«
    »... und er hat sogar einen persönlichen Abgesandten nach Algerien geschickt, Jean Berard, auch ein Richter. Der wusste
    genau, was nachts bei uns ablief.
    Schließlich hat General Jacques Massu selbst Aussaresses als Chef der Foltereinheit ausgesucht.«
    Algerienfranzosen verehrten Massu als eine legendäre Figur. Er führte Kommandos in Indochina und Nordafrika, kämpfte ab 1956 in Algerien gegen die FLN, wurde sogar zum Präfekten von Algier ernannt und nahm schließlich eine führende Position beim Putsch gegen die Vierte Republik ein, weshalb ihn de Gaulle seines Postens enthob.
    »Einmal war ich dabei, als Massu, im Beisein von Aussaresses, den Mord an einem Gefangenen befahl«, erzählte LaBrousse weiter. »Ein Rechtsanwalt namens Ali Boumendjel war als Auftraggeber eines Mordes an drei Franzosen festgenommen worden, das war ein ziemlich klarer Fall, denn die Tatwaffe gehörte ihm. Weil Boumendjel aber einen hohen Stellenwert in der Gesellschaft von Algier einnahm und einen genauso bekannten Bruder hatte, der auch als gewiefter Rechtsverdreher galt, fürchteten alle, er könnte freigesprochen werden. Da sagte Massu nur: >Ich verbiete, dass Boumendjel flieht! Verstanden?< Aussaresses stand auf und fuhr sofort zu dem Gefängnis, in dem Boumendjel saß. Dort erklärte er dem wachhabenden Leutnant, Massu habe Angst, Boumendjel könne fliehen. Man müsse ihn deshalb verlegen. Und um das zu tun, solle der Leutnant Boumendjel über eine Brücke in der sechsten Etage ins nebenan liegende Gefängnisgebäude geführt werden. Er, Aussaresses, würde unten warten, bis alles erledigt wäre. Der Leutnant hat's verstanden, den Gefangenen geholt, in die sechste Etage geführt, ihn mit einem Schlag betäubt und runtergeworfen. Aussaresses fuhr mit seinem Jeep zurück zu Massu und berichtete: >Mon general, Sie haben mir

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