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Der Richter aus Paris - Eine fast wahre Geschichte

Der Richter aus Paris - Eine fast wahre Geschichte

Titel: Der Richter aus Paris - Eine fast wahre Geschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Wickert
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mich gefragt, warum Sie Cayenne als Abflugort für den Flug gewählt haben. Wahrscheinlich taten Sie es einmal, um Ihre Herkunft aus Fort-de-France zu verschleiern, und zum anderen, weil Cayenne-Paris als Inlandsflug gilt, so dass Sie in Orly nicht durch den Zoll gehen mussten. Wollen Sie weitere Einzelheiten wissen?«
    »Was wollen Sie von mir? Ich habe mir versichern lassen, dass ich mich nicht strafbar gemacht habe. Alles andere ist
    meine Privatsache.« LaBrousse setzte sich auf.
    »Beihilfe zur Untreue wäre denkbar.« Jacques schwieg und musterte sein Opfer.
    »Wäre verjährt.«
    »Die Verjährung wird unterbrochen durch die richterlichen Untersuchungen.«
    »Weder in Abidjan noch auf den Caymans. Und warum kommen Sie gerade jetzt damit?«
    Jacques ließ seinen Blick scheinbar unentschieden durch den Raum schweifen, um dann LaBrousse direkt in die Augen zu schauen. »Jetzt ist der General tot.«
    »Immerhin schon seit gut neun Monaten!« LaBrousse atmete schwer ein. Und schwieg.
    »Aber wir wissen erst seit kurzem, dass Sie Hinweise auf den Mörder besitzen.«
    LaBrousse fuhr auf. »Quatsch.«
    Der Pflanzer schaute auf das neben ihm stehende Gewehr und legte den Mittelfinger der rechten Hand genau auf das Loch, aus dem die Kugel den Gewehrlauf verlässt, zögerte, als überlege er den nächsten Schritt.
    Jacques wusste, dass er LaBrousse keine Zeit lassen durfte, um sich zu sammeln.
    »Sie haben einen Monat vor dem Mord mit dem General telefoniert und ihn vor seinem Mörder gewarnt.«
    LaBrousse schwieg. Draußen startete der Jeep, und das Geräusch des Motors entfernte sich. Dann herrschte wieder Ruhe. Jacques sah LaBrousse gelassen an und bemerkte die Schweißflecken auf dessen Hemd unter den Achselhöhlen. Eine Fliege summte laut und klatschte immer wieder gegen die Fensterscheibe. Lästiges Vieh, dachte Jacques. LaBrousse stand auf, öffnete einen Fensterflügel und scheuchte den Brummer mit der linken Hand hinaus. Ungerührt setzte er sich wieder hin und
    blickte Jacques an, als wollte er ihn provozieren. »Warum hat Maurel gedroht, den General umzubringen?«
    LaBrousse zog laut Luft durch die Nase ein, schien zu überlegen, was er wohl am besten antworten könnte, und setzte sich auf. »Der General hatte Maureis algerische Freundin Kadija auf dem Gewissen.«
    »Wie das?«
    »Kennen Sie Maureis Lebensweg?«
    Mal sehen, was er weiß, dachte Jacques und sagte: »Nur ein wenig. Erzählen Sie!«
    »Maurel kam 1954 ziemlich gebrochen aus Indochina nach Algerien zurück und ließ sich auf dem Landgut in der Ebene von Mitidja, das er von seinem Vater geerbt hatte, nieder. Ein schöner Sitz in einer Landschaft, wo's gut wächst. Obst und Olivenbäume und gutes Klima. Nur fünfundzwanzig Kilometer vom Mittelmeer entfernt. Nicht so verdammt feucht wie hier. Aber die Vietminh hatten Maurel wohl so hart zugesetzt, dass er ständig medizinische und auch psychische Betreuung benötigte. Von seiner Obstplantage war es zum Glück nicht weit bis zum Krankenhaus von Joinville, einem Viertel von Blida, in dem die Franzosen wohnten. Und dort arbeitete Kadija als Krankenschwester.«
    Wie unerbittlich die Geschichte mit einem Menschen umgehen kann, dachte Jacques. Da überlebt Maurel knapp den Kolonialkrieg in Indonesien, kehrt in die Heimat, in der er, in der schon sein Vater, sogar sein Großvater geboren und aufgewachsen waren, zurück, und es beginnt der nächste Aufstand. Unerbittlich.
    Er fragte: »Was war das für eine Frau, diese Kadija?« LaBrousse machte eine kurze Pause, lächelte sanft und sagte: »Eine besondere Frau. Wenn sie nicht so vornehm getan hätte, wären ihr alle Männer verfallen. Sie trug ihren Charakter im
    Gesicht. Dem Gerücht nach stammte sie aus einer alten maghrebinischen Familie aus Blida, die ihren Ursprung auf Sid Ahmed El Kebir zurückführt, und sie glaubte das beweisen zu können, weil beim Erdbeben von 1825, bei dem ganz Blida zerstört wurde, ihre Besitztümer als einzige völlig unbeschädigt blieben. Wird nichts Wahres dran gewesen sein.«
    »Sid...?«
    »Der angebliche Gründer der Stadt. Eine Art Heiliger. Durch die einheimische Kadija lernte Maurel den Psychiater des Krankenhauses Joinville kennen, Frantz Fanon. Der hat ihn behandelt, und sie haben sich angefreundet. Maurel war ein sanfter Typ. Fanon hat so manche Zeit mit seiner Frau und ihrem kleinen Kind auf dem Land bei dem weißen Landbesitzer Maurel und Kadija verbracht - besonders wenn es im Sommer in Blida zu heiß wurde. Man

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