Der Richter aus Paris - Eine fast wahre Geschichte
einige private Fotos in erstaunlich feinen Rahmen aus poliertem Mahagoni. LaBrousse stellte das Gewehr neben einem Sessel nah der Couch ab, zog die Lederweste rrit den Patronentaschen langsam aus, als kehre er allein von der Jagd zurück, und wandte sich plötzlich mit unerwartet freundlicher Miene seinem Besucher zu.
»Darf ich Ihnen einen Kaffee anbieten?« »Danke, lieber ein Glas Wasser.« »Nehmen Sie Platz!«
LaBrousse wies auf die Sitzecke hin. Jacques warf einen Blick auf die Fotos, sah aber auf keinem Bild einen französischen Offizier, in dem er den General hätte wiedererkennen können. LaBrousse kam aus der Küche mit einem Glas, das einst als Senftopf verkauft worden war, einer Flasche Wasser und einer Dose Lorraine-Bier.
Ohne die Miene zu verziehen, sagte er im freundlichen Konversationston: »Ich habe schon gedacht, Sie hätten mich vergessen, Monsieur le juge.«
»Weil de Montagnac tot ist?«
»Der General, für mich bleibt er der General. Immerhin habe ich in den vergangenen Jahren nichts in den Zeitungen gelesen, was mich betroffen hätte. Und da Sie offensichtlich jedes Verhör sofort an die Presse gegeben haben, dachte ich, es gäbe
doch noch Geheimnisse vor Ihnen.«
Jacques entspannte sich. Auf den ersten Blick strahlte LaBrousse zwar mit seinen leicht schräg stehenden Augenschlitzen, der gereizten rötlichen Haut und dem schmallippigen Mund Feindlichkeit aus, doch der kräftige Mann, der mit seinen sechzig Jahren immer noch wie ein muskulöser Bullterrier wirkte, war offensichtlich einfältiger, als der Richter erwartet hatte.
»Sie werden es nicht glauben, aber wir sind erst vor drei Wochen auf Sie gestoßen.«
LaBrousse zog die Luft durch die Zähne ein, als bereue er die von ihm eingeschlagene Taktik der scheinbaren Offenheit.
»Und?«
»Na schön.« Jacques schmunzelte, und holte seinen Organizer aus der Jackentasche, stellte ihn mit einem leichten Druck auf den grünen Schalter oben rechts an und wählte auf dem Computerbildschirm die Funktion »Merkzettel«.
»In den Jahren 1992 bis 95 wurden von einem Unternehmen, das am Bau der TGV-Strecke nach Lilie beteiligt war, knapp hundertfünfzig Millionen Francs - mehr als zwanzig Millionen Euro - auf ein Konto nach Abidjan an der Elfenbeinküste überwiesen, das dort auf den Namen der Bananen-Plantation Sassandra eingerichtet ist. Gehört Ihnen die noch?«
»Ja. Soweit einem bei dem dortigen Chaos überhaupt noch etwas gehören kann.«
Da hat LaBrousse Recht, dachte Jacques. Die einzigen Franzosen, die an der Elfenbeinküste noch was zu sagen haben, sind die Soldaten der Fremdenlegion, die letzten Herbst ins Land geschickt worden sind, um die Herrschaft des selbstgefälligen Herrschers Laurent Gbagbo zu stützen - und die zwanzigtausend Franzosen im Land vor den Rebellen des MPCI (Mouvement patriotique de la Cöte d'Ivoire) zu schützen. Wer klug war, hat das Land verlassen.
»Wollen Sie Ihre Kontonummer wissen?«, fragte Jacques. »Die Zahlungen auf Ihr Konto sind auf den Rechnungen angegeben, die von der Firma >Sotax< ausgestellt worden sind. Die >Sotax<, die nach offiziellen Angaben dem General gehört hat, streicht Geld von den Firmen ein, die öffentliche Aufträge ausführen. Und das Geld, wenn es einmal gewaschen ist, fließt in die schwarze Kasse einer politischen Partei.«
Jacques warf einen Blick auf LaBrousse, der einen Schluck aus der Dose nahm und mit Pokergesicht abwartete.
»Die hundertfünfzig Millionen Franc waren stückweise von Ihrem Konto in Abidjan auf ein Konto der BC weitergeleitet worden, der Central Bank of Brasil, auf den Cayman-Inseln. Von dort haben Sie sechs Mal große Beträge bar abgehoben, das Geld nach Paris gebracht und dem General übergeben. Ich kann Ihnen die genauen Daten sagen - und auch die Flugroute, die Sie jeweils gewählt haben. Se sind stets über einen anderen großen französischen Flughafen losgeflogen, stets mit der Air France. Ein Beispiel: Am...«, Jacques konsultierte den elektronischen Merkzettel, »... Montag, den 17. Oktober 1994 flogen Sie von Fort-de-France nach Guyana und bestiegen dort am Abend den Air-France-Flug Cayenne-Paris mit einem Erste-Klasse-Ticket. Sie saßen Sitz 2 B. Drei Tage zuvor hatten Sie von dem Konto bei der BC auf den Caymans eine Million hundertfünfzigtausend Franc bar abgehoben, wovon Sie dem General in Paris eine glatte Million in Tausenderscheinen übergaben. Ich vermute, hundertfünfzigtausend haben Sie behalten. Kein schlechter Lohn. Ich habe
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