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Der Richter aus Paris - Eine fast wahre Geschichte

Der Richter aus Paris - Eine fast wahre Geschichte

Titel: Der Richter aus Paris - Eine fast wahre Geschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Wickert
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eines Nachts zu Maurel gefahren und fanden ihn mit Kadija im Schlafzimmer. Er behauptete, er sei nicht eingeweiht, wisse von nichts. Er gab sich aber ganz zivilisiert, wie er halt so war. Dann sagten wir uns, Kadija würde es wahrscheinlich wissen.«
    »Und hat sie geredet?«
    »Nein.«
    »Dann habt ihr sie gefoltert.«
    »Ja. Das war doch so üblich. Und weil wir schließlich glaubten, unsere Pflicht zu tun, haben wir es auch nicht bereut.«
    »Und hat sie dann geredet?«
    »Nein. Wir haben sogar die Elektrokabel angeschlossen. Aber offenbar war sie darauf vorbereitet. Denn sie hat laut geschrieen, wie man das allen beibringt, die eine Folter fürchten müssen. Schreien alarmiert die Freunde und macht den Folterer mürbe. Aber nicht den General.«
    »War der dabei?«
    »Ja.«
    »Und Maurel?«
    »Dem mussten wir eines über den Schädel geben. Als die Kabel Kadija nicht zum Sprechen brachten, haben wir Wasser benutzt. Diese Technik ist auch für hart gesottene Gefangene die schlimmste und gefährlichste. Die dauert selten länger als eine Stunde, weil die Verdächtigten hoffen, sie kämen mit dem Leben davon, wenn sie redeten. Also reden sie schnell - oder nie. Kadija aber war ebenso schön wie stur. Der General gab schließlich den Befehl: >Nehmt das Taschentuch! < Ein
    Unteroffizier hat ihr dann das Tuch über das Gesicht gelegt. Ein anderer hat langsam Wasser darüber gegossen. So wird verhindert, dass noch Luft durchkommt.«
    »Und?«
    »Daran ist sie erstickt.«
    »Und ihr habt sie alle schön gefunden?«
    »Mmh.«
    »Und?«
    »Ja,...«
    »Wer, alle?«
    »Nein, nur der General.«
    Jacques schwieg. Es ekelte ihn.
    »Und Sie waren der Unteroffizier?«
    »Ja. Wir haben sie dann mitgenommen und auf dem Bauernhof beerdigt, wo sich Ben M'Hidi aufgehängt hatte. Inzwischen lagen da schon rund zwanzig Männer verscharrt. Sie ist in dem Grab die einzige Frau.«
    »Aber Fanon ist nie zurückgekommen?«
    »Nein. Wahrscheinlich nicht. Maurel konnte danach trotzdem nicht bleiben, weil ihm niemand den Verrat verzieh. Aber er hatte noch Glück.«
    »Dass Sie ihn am Leben ließen?«
    »Nein. Dass er sein großes Familienanwesen für gutes Geld verkaufen konnte. Das war immerhin schon 1960. Viel Geld, zig Millionen.«
    LaBrousse wirkte so teilnahmslos, als meinte er das mit dem Glück ernst.
    In Jacques stieg Wut hoch, aber sie hatte kein Ziel. Da erzählte der Folterer dem Richter der Republik von seinen Morden im Namen der Republik, geduldet, wenn nicht gar veranlasst von einer demokratischen Regierung in Paris.
    Wahrscheinlich könnte ein hart gesottener Folterer heute mit seinen Erinnerungen in Talk-Shows viel Geld machen. Und jeder Richter wäre machtlos. Zwar verjähren Verbrechen gegen die Menschlichkeit nie, und dies waren welche. Aber die Folter in Algerien fiel unter die Amnestie, die General de Gaulle im Juli 1968 erließ, allerdings erst, nachdem ihm General Massu während der Maiunruhen geholfen hatte, politisch zu überleben. Sie ist eben katholisch, die französische Politik, irgendwann wird immer die Absolution erteilt, zur Not auch schon vor der Beichte.
    Jacques fragte LaBrousse. »Haben Sie das Foto noch?«
    »Welches?«
    »Das Maurel so in Rage versetzt hat.«
    LaBrousse stand auf, ging in ein Nebenzimmer, und durch die offene Tür hörte Jacques, wie er eine Schublade aufzog und in Papieren kramte. Dann kam er mit dem Bild zurück, das immer noch in einem Mahagoni- Rahmen steckte.
    Mit bloßer, stark behaarter Brust stand der General \or einem alten, gepflegten Landhaus inmitten eines Olivenhains. Ohne Zweifel, ein Mann mit Ausstrahlung, dachte Jacques. Ein wenig verdeckte er einen Unteroffizier mit Vollbart. Das mochte LaBrousse sein, zu erkennen war er nicht.
    Jacques sah LaBrousse in die Augen. »Wo ist das Bild aufgenommen worden?«
    LaBrousse hielt dem Blick stand. »Vor dem algerischen Landsitz von Maurel.«
Maurel
    In Paris hatte Jacques nicht erfahren, dass Maurel gestorben war, und hier auf Martinique war er, ohne mit jemandem Kontakt aufzunehmen, erst zu LaBrousse gefahren. Jetzt aber wollte er keine Zeit mehr verlieren.
    Martine hatte seine Reise präzise vorbereitet, und so hatte er in seinen Unterlagen auch eine Generalstabskarte von Martinique. Auf der fand er nun die Habitation Alize, keine zehn Kilometer von LaBrousse entfernt. Er fuhr in Richtung Atlantikküste, dann am Meer entlang knapp drei Kilometer nördlich in Richtung Bässe-Pointe, der Ort, in dem der berühmte Dichter Aimee Cesaire,

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