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Der Richter aus Paris - Eine fast wahre Geschichte

Der Richter aus Paris - Eine fast wahre Geschichte

Titel: Der Richter aus Paris - Eine fast wahre Geschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Wickert
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fragte er: »Ging Maurel noch auf die Jagd?«
    »Er ritt jeden Tag aus, manchmal mit Gewehr am Sattel. Und der Alte war erstaunlich schnell und treffsicher. Maurel hatte den Ruf eines hervorragenden Schützen.«
    »Aber er war doch immerhin einiges über neunzig.«
    »Ja, aber das hast du ihm nicht angemerkt.«
    »War er aufbrausend?«
    »Keine Ahnung. Seine Landarbeiter sagen, er war eher zu sanft. Sein Vorarbeiter war streng, Maurel indessen galt als genau, aber menschlich. So hat er zum Beispiel sehr darauf geachtet, dass die Kinder seiner Erntehelfer zur Schule gingen.«
    »Nehmen wir mal an, ihn hätte eine tiefe Wut gepackt. Würdest du ihm dann den Mord am General zutrauen - und sei es durch einen gedungenen Killer?«
    »Eine Reise nach Paris hätte ich ihm schon zugetraut. Aber allein, mit Gewehr und Mordgedanken? - Möglich, ja, kräftig genug war der noch. Da hätte ihn aber schon ein starker Wille antreiben müssen. Ein Killer - ich weiß nicht, das klingt mir für Maurel zu absurd.«
    »Könnt ihr rauskriegen, ob er geflogen ist?«
    »Weißt du genauer, wann?«
    »Der Mord fand drei Tage vor Himmelfahrt statt.«
    Cesaire öffnete das Dossier und machte sich eine Notiz.
    Jacques fuhr fort: »Und das ist der Schlüssel zum Gewehrschrank von Maurel. Könnt ihr hier untersuchen, wann die Waffen zum letzten Mal benutzt worden sind? Patronengröße der Todeskugel müsste im Dossier stehen.«
    »Wird alles erledigt. Da haben die Jungs wenigstens wieder ein bisschen mehr Aufregung als bei den täglichen Demos im Augenblick. Beides können wir bis morgen Abend, spätestens übermorgen wissen. Melde dich, oder ich melde mich.«
    Die Klinke der Tür schon in der Hand, drehte sich Jacques noch einmal um und fragte: »Habt ihr Maureis Tod untersucht?« »Es gibt keinen Grund, an einem Unfall zu zweifeln.« »War die Spurensicherung da?« »Ja, aber es war ohne Zweifel ein Reitunfall.«
    *
    Das Hotel »Imperial« besaß kein Schwimmbad. Nach dem »blaff d'oursin«, der scharfen Seeigelsuppe in dem kleinen kreolischen Lokal, die ihm noch mehr Schweiß auf die Stirn getrieben hatte, sehnte er sich nach einer Abkühlung im Pool. Ein bisschen mehr Luxus hätte er sich auf Staatskosten schon leisten können.
    Immer noch keine Nachricht von Margaux. Er wählte ihre Handynummer, aber es meldete sich nur die Mailbox, wahrscheinlich schlief sie schon und hatte das Telefon abgestellt. Auch kein Grund für bessere Laune. Also beschloss er, eine Siesta einzulegen, selbst wenn es schon fünf Uhr am Nachmittag war, aber er spürte den Zeitunterschied und die vergangene Nacht.
    Der Wecker klingelte: sieben Uhr. Um halb neun wollte er im Büro sein, und wenn er heute seine Angst überwinden würde, dann ginge die Ladung an den Staatspräsidenten raus. Schließlich war der zu Zeiten der Schwarzgeldaffäre Parteichef gewesen, also müsste er bestens informiert sein. Aber der Wecker hörte nicht auf zu klingeln. Jacques wälzte sich zur Seite, schlug mit der Hand dorthin, wo das scheppernde Ungeheuer stehen müsste, traf aber nur die Nachttischlampe in seinem Hotelzimmer, tauchte aus seinem Traum auf, und das Klingeln des Telefons hörte auf, bevor er nach dem Hörer greifen konnte. Er schaute auf die Uhr. Viertel vor neun. Draußen war es dunkel.
    Während der Laptop hochfuhr, überlegte Jacques, ob er sich einen Kaffee aufs Zimmer bestellen sollte, verwarf die Idee, weil das Personal sicher noch nicht zurückgekehrt und der Besitzer wahrscheinlich immer noch grantig war. In der Minibar war kein Alkohol. Er schrieb eine längere Mail an Margaux, erzählte von seiner Recherche - aber nicht von der Trauerfeier im Walde. Eine weitere Mail ging an Martine mit dem Auftrag, bei den Fluggesellschaften die Listen der Reisenden zu
    Himmelfahrt vergangenen Jahres überprüfen zu lassen.
    Dann las er Martines Post. Sie hatte zwei Artikel geschickt. Im ersten Bericht aus »Le Monde« stand, dass im Finanzministerium drei hohe Funktionäre zu Abteilungsleitern ernannt worden seien. Gegen alle drei ermittelte er wegen Parteienfinanzierung. Unter ihnen war auch Bertrand Lavache, der neue Direktor der Abteilung Rechtswesen werden sollte. Er hatte, als wichtiges Mitglied der Partei des Generals, sechs Jahre lang ein Gehalt vom Rathaus in Paris erhalten, ohne dafür auch nur irgendeine Leistung erbracht zu haben. Ein fiktiver Arbeitsvertrag hatte ihm ein schönes Taschengeld beschert, das er wegen seiner großzügigen Lebensführung, zu der wechselnde

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