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Der Richter aus Paris - Eine fast wahre Geschichte

Der Richter aus Paris - Eine fast wahre Geschichte

Titel: Der Richter aus Paris - Eine fast wahre Geschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Wickert
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lachte.
    »Na klar, und eine ganze Flasche Rose verputzt, auf Kosten des Hauses, versteht sich. Was anderes haben Sie doch nicht erwartet. Und Sie? Die Witwe vernascht?«
    »Wie?«
    »Aber, aber. Sie haben doch oben übernachtet. Im Haupthaus von Alize.«
    »Hmm, wie lange sind Sie noch im Büro?« »Noch eine ganze Schicht.«
    »Ich komme gleich vorbei«, sagte Jacques und warf den Hörer auf die Gabel. Es schepperte leider nicht mehr so laut wie einst bei den schwarzen Telefonen aus Bakelit. Sollte er Margaux anrufen? Wahrscheinlich war sie müde aus der Redaktion gekommen und stand jetzt unter der Dusche. Bei dem Gedanken schmunzelte er. Aber nur kurz. Sie würde ihm nie verzeihen, dass er sich doch eine eigene Wohnung gemietet hatte, nachdem er mit seinen Koffern Hals über Kopf von Jacqueline zu ihr geflüchtet war. Aber nach drei Monaten heftiger Leidenschaft
    musste er sich aus ihrer Umklammerung lösen, was er mit Takt und Feingefühl versuchte, ziemlich vergeblich, und schließlich damit begründete, Jacqueline würde ihm sonst nie seine letzten Hab Seligkeiten rausrücken. Jacqueline. Er würde den letzten Abend, an dem sie erst ihren Champagnerkelch und, als das zu wenig Lärm und Eindruck machte, die schwere Flasche an die Wand neben ihm warf, nicht vergessen. Es war wie so oft um Geld gegangen und um Jacquelines Mitgliedschaft in dem elitären und mondänen, aber vollkommen nutzlosen »Club des Croqueurs de Chocolat«. Auch die Modeschöpferin Sonia Rykiel gehörte zu der auf 150 Mitglieder beschränkten Clique. Deshalb trug Jacqueline nur noch Rykiel, in Schwarz - für Preise, die sich ein Untersuchungsrichter höchstens einmal im Jahr als Weihnachtsgeschenk leisten kann. Und Colanerie, der Generalsekretär des Clubs, hatte versucht, ihm klarzumachen, wie wichtig es sei, die Reinheit der Schokolade durch Bestimmungen der Europäischen Union festschreiben zu lassen. Allerdings hatte Jacques Pessis, der Präsident des Clubs, seinen eigenen Generalsekretär ausgelacht: »Ich liebe diese Lächerlichkeit, die nur darin besteht, in ganz ernstem Ton über Schokolade zu reden.«
    Er war schon genervt aus dem Büro gekommen, und als sie begann, von einem der teuren Clubabende zu schwärmen, hätte er sie beinahe geschlagen. Provozierend hatte sie ihm dann vorgeschlagen, er möge doch lieber wie der General Geld scheffeln, statt Leute zu jagen, die Pascals - so nannte man die ockerfarbigen Fünfhundert-Francs-Scheine, obwohl statt Blaise Pascal inzwischen Pierre und Marie Curie darauf abgebildet waren - mit vollen Händen aus dem Kofferraum verteilen.
    Des Generals Gewohnheit, zu Weihnachten durch Paris zu fahren und an seine Schützlinge große Beträge an Bargeld in großen Scheinen, eben Pascals, auszuteilen, war inzwischen stadtbekannt - und manch einer, wie etwa Jacqueline, träumte von solch einem Dukatenesel.
    Als Jacqueline im Verlaufe der Auseinandersetzung dann noch die Scherben produziert hatte, packte er seine Koffer und lief weg aus dem Eheparadies - zu Margaux.
    Nein, er würde Margaux nicht anrufen. Stattdessen klickte er ihre E-Mail-Adresse an und schrieb:
    »M., die Sonne scheint wirklich. Und es ist so heiß, wie du es liebst. Komm für ein paar Tage an den Strand. Und ins Wasser. J.«
    Vielleicht würde sie auf diese sanfte Art der Kommunikation entspannt reagieren.
    *
    »Willst du einen Kaffee?«, fragte Cesaire. Man gehörte zur gleichen Zunft und saß im selben Boot, da brauchten sie keine Förmlichkeiten.
    »Glas Wasser, bitte, bei der Hitze«, antwortete Jacques. Für Kaffee war es ihm zu warm. Außerdem hatte ihm Jacqueline beigebracht, dass Kaffee und Tee dem Körper Flüssigkeit entzögen, der Mensch aber viel Wasser brauche. Also hatte er sich angewöhnt, weniger Kaffee und mehr Wasser zu trinken.
    Zu Jacques' Überraschung, die er sich hoffentlich nicht hatte anmerken lassen, war Cesaire Kreole aus Guadeloupe, was er am Telefon an Tonfall und Sprechweise nicht gehört hatte. Das Büro war aufgeräumt, das abgetretene Linoleum glänzte, auf dem metallenen Schreibtisch lag nur das dünne Dossier mit einem kurzen Abriss des Falles, das Martine auf Anweisung von Jacques geschickt hatte. An den weiß gekalkten Wänden hing nichts als der billige Druck eines offiziellen Fotos des Staatspräsidenten. Durch die halb heruntergelassene Jalousie blickte Jacques auf den überfüllten Parkplatz hinter dem Polizeipräsidium.
    Nur Cesaires ständige Heiterkeitsausbrüche wärmten den klimatisierten

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