Der Richter aus Paris - Eine fast wahre Geschichte
Raum.
»Na, den Mörder schon gefunden?«
Jacques seufzte innerlich. Als Richter aus Paris, und dann noch mit seinem Ruf, würde er erst einmal in Demut und Bescheidenheit Vertrauen schaffen müssen.
»Gott, ja, es ist schon schwierig. Weißt du, Cesaire, jetzt bin ich über sieben, bald acht Jahre mit dem Fall befasst, doch mit dem General ist unser Hauptverdächtiger ermordet worden. Und ich will nicht darüber klagen, welche Hilfe ich in Paris erhalte. Das kannst du dir bei einem Fall, in dem es um Politiker und Parteien geht, kaum vorstellen.«
»Und der Mord liegt doch schon einige Zeit zurück.«
»Ja, fast ein Jahr, aber erst jetzt sind wichtige Unterlagen auf meinen Tisch gelangt. Ich habe nur Vermutungen darüber, wer sie zurückgehalten hat.«
»Ich hab' einiges gelesen. Wie kommt das Zeug eigentlich in die Presse?«
»Je nachdem. Wer ein Interesse hat, der erzählt es weiter.«
Cesaire lachte wieder: »Jeder?«
Jacques seufzte: »Ich nehme schon an: jeder!«
»Und wie ist es hier bisher gelaufen?«
»Was für einen Ruf hat Victor LaBrousse?«
»Er hält sich an alle Regeln. Er zahlt korrekte Löhne, beschäftigt allerdings mehr weiße Arbeiter als üblich.«
»Weiß man, warum?«
»Nein. Er gibt vor, sie hätten schon immer für ihn gearbeitet. Es sind Piedsnoirs. Aber auch sie unterliegen seinem strengen Regiment. Die Plantation läuft sehr gut. Und jeder Funktionär, jeder Politiker, der geschmiert werden muss, erhält regelmäßig, was ihm gebührt. Nicht zu viel, nicht zu wenig.«
»Spielt er eine Rolle auf Martinique?«
»Nein. Er hält sich zurück. Ist aber immer bestens informiert. Loulou verkehrt bei ihm - und wird wohl auch von ihm bezahlt.«
»Wer ist das eigentlich, Loulou?«
»Er hat so seinen Weg gemacht - vom Anhänger von Frantz Fanon zum Konservativen. Jetzt arbeitet er als Journalist bei France- Antille s.«
»Dem Blatt von Hersant?«
»Der zahlt ganz gut.«
»Nimmt der denn einen ehemaligen Kommunisten?«
»Das sehen wir auf Martinique nicht so eng. Und Loulou kommt aus den Bergen, der weiß über alle gut Bescheid. Und über alles. Sieht gut aus und tritt inzwischen sogar wie ein kreolischer Beke auf. Kleidet sich sorgfältig, pflegt sich, liest die entsprechenden Männerjournale und achtet auf sein Äußeres. Man sagt ihm immer wieder das eine oder andere Verhältnis nach, aber das können auch Gerüchte sein.«
Cesaire schaute Jacques lächelnd mit schief gelegtem Kopf an, als wollte er ihn zu der Frage nach Loulou und Amadee verleiten.
»Wie schätzt du LaBrousse ein? Ist er oder sind seine Leute gewalttätig?«
»Sie treten sehr bestimmt auf, aber alles bleibt im Rahmen Noch nicht einmal Schlägereien im Suff. LaBrousse hat seinen Leuten sogar verboten, hier den willigen...«, Cesaire zog die Augenbrauen hoch und verdrehte seine dunklen Augen nach oben, so dass fast nur noch das Weiße zu sehen war, »... und billigen Mädchen vom Morne Pichevin einen Nebenverdienst zuzustecken. Für solche Nöte müssen sie nach Saint Dominique fliegen. Wobei man natürlich nie weiß, was bei der Bananenernte zwischen den Stauden abläuft.«
»Kostenlos,« warf Jacques ein, ohne eine Miene zu verziehen.
Cesaire prustete laut raus und schaute den Richter aus Paris plötzlich mit einem freundlicheren Blick an. Der schien ja so was wie Humor zu haben.
Jacques gab einen kurzen Abriss seines Besuchs bei LaBrousse und von dem Ausflug zu Maureis Witwe. Er verheimlichte aber, welches Motiv Gilles Maurel für den Mord an dem General hätte haben können. Maurel und der General seien wohl vor langer Zeit in Algerien heftig aneinander geraten, deutete er nur vage an.
»Kannst du dir vorstellen, dass Maurel nach Paris geflogen ist, um den General zu erschießen?«
Cesaire zögerte, lehnte sich zurück und dachte nach. Sein Handy klingelte, er holte es aus der Hemdtasche und schaltete es, ohne hinzusehen, aus.
»Maurel hat seine Habitation seit Jahrzehnten kaum noch verlassen. In Fort-de-France habe ich ihn nie gesehen. Ab und zu ließ er sich von Amadee zu Einladungen auf andere Habitations mitnehmen. Aber er war ein rechter Eigenbrötler. Vergiss nicht, er wollte noch nicht mal ein Telefon. Maurel lebte in seiner eigenen verschrobenen Welt der Vögel, die er malte. Aber selbst Leute, die seine Bilder kauften, hat er selten empfangen. Die Außenwelt überließ er seiner Frau.«
Jacques hätte gern gewusst, wie Amadee das einsame Leben auf Alize ausgehalten hatte. Stattdessen
Weitere Kostenlose Bücher