Der Richter aus Paris - Eine fast wahre Geschichte
auf die Arme, machte einen Liegestütz, sprang auf die Beine und rannte ins Wasser. Er fühlte sich wohl, schaute vom Meer aus auf die Berge und überlegte, in welcher Himmelsrichtung Amadee wohnte. Ob sie ihn faszinierte, weil sie so anders war als Margaux? Oder als Jacqueline, die man mit keiner von beiden vergleichen konnte?
Damals in Nizza hatte sie am Nebentisch gesessen, im Restaurant »La Petite Maison« in der Rue de l'Opera, wo auch schon einmal die Grimaldi-Töchter tafeln. Dort goss ihm die Wirtin Nicole Champagner über die Hände und ließ dann, scheinbar erschreckt, das Glas fallen. Ein beliebter Trick, mit dem sie die Aufmerksamkeit auf sich zog - und Leute über die Tische miteinander verkuppelte. Nicole hatte Jacques Blicke hinüber zu der attraktiven, sportlichen Blonden wohl verstanden.
Bekannte hatten Jacqueline zu einer Bootstour mitgenommen, die Motorjacht lag in Fontvieille vertäut an der Mole, dem neuen Hafen von Monaco. Der braun gebrannte und sportliche Richter aus Nizza hatte ihr gefallen.
Ein paar Wochen später schon bemühte sich Jacques um eine Versetzung nach Paris, wo Jaqueline lebte. Seine Kollegen im Palais de Justice in Nizza lachten ihn deswegen nur aus; denn an die Seine schaffte man es frühestens nach zehn Jahren Knechtschaft in der Provinz. Jacqueline aber rief kurzerhand einen Freund ihrer Eltern an, der für die Regierungspartei in der Assemblee Nationale saß, und der versprach, sich zu kümmern. Wenn er sich nicht mehr melde, sei die Sache gelaufen. Er meldete sich dann doch, aber nur, um als Belohnung Jacqueline zu »Chez Edgar« ausführen zu dürfen, wo seine Parteifreunde ihn ob einer so eleganten Begleitung beneiden würden. So hatte sie um den Preis einer Mahlzeit in einem In-Lokal, und das war für Jacqueline eher ein Vergnügen, eine Stelle in Creteil für ihren Geliebten, der bald ihr Verlobter war und dann ihr Mann,
ergattert.
Creteil lag zwar im ziemlich proletarischen Südosten von Paris, aber mit dem Auto noch nicht einmal eine halbe Stunde von ihrer Wohnung entfernt. Jacques sagte, sie befinde sich ganz am Anfang des kleinbürgerlichen Boulogne, Jacqueline aber schwärmte von ihr, weil die Adresse - eigentlich - gerade noch zum Seizieme der Schickeria zählte. Eigentlich, flüsterte Jacques manchmal unhörbar wie ein Echo, eigentlich.
Eigentlich begann damit ihr Problem, das eigentlich noch vor Botox vorbei war. In Creteil wurde Jacques das Sachgebiet Finanzdelikte zugeteilt, und so fiel die Affäre um die »Sotax« und den General in seine Zuständigkeit. Er ging vorsichtig vor, den Fall der Japanerin immer noch im Hinterkopf. Aber je stärker die Widerstände in Politik, Polizei und Justiz anwuchsen, desto hartnäckiger verfolgte er das Geflecht der Selbstbedienung durch politische Parteien. Und inzwischen bangte selbst der Staatspräsident vor Jacques' Strenge, und in der Presse wurde offen darüber diskutiert, ob der hartnäckige Untersuchungsrichter es wagen würde, als nächsten Schritt eine Vorladung an die höchste Person in der Republik zu schicken -und ob der Präsident in solch einem Fall aussagen müsste.
Ja, sagten die politischen Gegner des amtierenden Präsidenten und verwiesen darauf, dass Valery Giscard d'Estaing während seiner Präsidentschaft in einem ähnlichen Fall Zeugnis abgelegt hatte. Allerdings stand Giscard damals nicht im Verdacht, selbst unrecht gehandelt zu haben.
Nein, antworteten seine Freunde, der Präsident könne nur wegen Hochverrats vor der Haute Cour de la Justice, bestehend aus Parlament und Senat, angeklagt werden.
Jacques wusste noch nicht, ob er den Mut haben würde, als Zeichen der Unabhängigkeit der Justiz die Vorladung abzuschicken. Er schwitzte schon wieder. Der Schatten, in den er sich nach dem letzten Schwimmen gelegt hatte, war
weitergewandert, und Jacques hatte die letzte Stunde in der warmen Nachmittagssonne verdöst. Er sprang noch einmal ins Wasser, um aufzuwachen und sich abzukühlen. Als die Sonne sich ins Meer senkte, fuhr er zurück und rief aus dem Wagen Cesaire an.
»Hast du schon was erfahren?«
»Nicht doch!«, lachte Cesaire. Jacques stellte sich das Büro des Polizisten vor. Was der da bloß den ganzen Tag tat?
»Nicht doch?«
»Junger Mann. Heute früh sind die Jungs zu deiner Doudou gefahren...«
Jacques ließ ein genervtes Stöhnen hören. Das Wort Doudou mag hier ja mal als zärtliche Bezeichnung für ein liebes Mädchen gegolten haben, aber im Zeichen des karibischen
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