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Der Richter aus Paris - Eine fast wahre Geschichte

Der Richter aus Paris - Eine fast wahre Geschichte

Titel: Der Richter aus Paris - Eine fast wahre Geschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Wickert
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sondern auch noch erfolgreich großgezogen. Ihre Ehe mit einem hohen Beamten in der Innenverwaltung zeigte nach außen ein Bild, das bestimmt war von Korrektheit, Ordnung und Langeweile. Sie gehörte jener zeitlosen Pariser Gesellschaftsschicht an, in der sich manche Eheleute noch siezen. Man hält eben auf Distanz. Ihren runden Körper verhüllte sie mit Seidenkleidern, deren Muster auswechselbar schienen und die teuer aussahen, es vielleicht auch waren, die Jacqueline aber stets mit Verachtung abqualifiziert hatte: »Wenn's wenigstens Gucci wäre!«
    Als die Sekretärin Jacques über das Telefon angemeldet hatte,
    muss die Gerichtspräsidentin, kaum hatte sie den Hörer aufgelegt, aufgestanden und durch das lang gestreckte Büro auf die Tür zugegangen sein, denn als er eintrat, kam sie ihm mit festem Schritt in der Mitte des Raumes entgegen.
    Sie bat ihn wie gewohnt an den Konferenztisch, wo sie wie zufällig den Sitz mit dem Rücken zum Fenster einnahm - im Gegenlicht fallen Gesichtsfalten weniger auf.
    Jacques legte das Dossier mit seinem Bericht vor sich und sagte: »Es war nicht gerade eine Lustpartie. Als ich ankam, war der Hauptverdächtige für den Mord am General gerade beerdigt worden. In der Sache sind jetzt die Polizeifachleute beschäftigt, Gewehre und Geschosse müssen überprüft werden, so dass wir erst in ein oder zwei Wochen mehr wissen. Sobald Sie den Bericht gelesen haben, will ich die Polizei beauftragen, eine weitere Spur in Sachen schwarzer Kassen zu verfolgen. Der auf Martinique lebende Planteur Victor LaBrousse, dessentwegen ich ursprünglich dorthin geflogen bin - Sie erinnern sich an das Telefongespräch mit dem General aus den Akten? -, spielte zwar den Geldboten, aber vielleicht war seine Rolle doch größer, als ich bisher angenommen habe. LaBrousse scheint Vollmachten über einige Konten zu besitzen. Er konnte eigenmächtig abheben und ist wohl noch im Besitz von vielen Millionen, die der General nicht mehr abrufen konnte. Die Spur über LaBrousse könnte uns zu der Person führen, die jetzt anstelle des Generals die illegalen Gelder verteilt.«
    »Haben Sie Anhaltspunkte dafür, dass diese Praktiken trotz Ihrer Untersuchungen immer noch andauern?«
    »Zumindest Indizien. Der Druck, der auf mich ausgeübt wird, spricht dafür.«
    »Druck? Solange Sie keine juristischen Fehler machen, halten wir Ihnen bei Gericht den Rücken frei.«
    Jacques sah sie einen Moment an, ehe er weitersprach.
    »Allein die Notiz über meinen angeblich dienstlichen >Urlaub<
    in der Karibik sollte mich doch belasten und in der Öffentlichkeit unglaubwürdig machen für den Fall, dass ich mich entschließe, den Staatspräsidenten vorzuladen. Und wer es schafft, solch eine Petitesse in Paris in einer Zeitung unterzubringen mit dem Hinweis, das hätte in >France-Antilles< gestanden, der muss schon über ein weit verzweigtes Netz verfügen. >France-Antilles< ist nämlich wegen Streiks in jenen Tagen überhaupt nicht erschienen. Ich verdächtige niemanden. Aber die Agenten der Renseignement Generaux befinden sich in dem kleinsten Ort des französischen Territoriums. Und wem unterstehen sie? Dem Innenministerium. Und das hat bisher noch unter jeder Regierung bewiesen, dass es bereit ist, selbst illegale Maßnahmen zu ergreifen, wenn es gilt, jemandem zu schaden, der dem Präsidenten unangenehm werden kann.«
    »Was könnte der Staatspräsident denn zur Klärung des Falles beitragen, wenn er vorgeladen würde? Bringt es uns der Lösung näher?«
    »Immerhin war er, bevor er gewählt wurde, lange Jahre der Parteivorsitzende. Und als solcher müsste er noch mehr wissen. Ich würde ihn ja als Zeugen, nicht als Beschuldigten vernehmen. Und da er letzten Sommer erst auf fünf Jahre wiedergewählt worden ist, hat er sowieso nichts zu befürchten.«
    »Glauben Sie nicht, dass es abzuwägen gilt zwischen dem Nutzen für das Recht und dem Schaden, den das Amt nehmen könnte?«
    »Das habe ich im Auge, aber: Fiat iustitia, pereat mundus.«
    »So lautet die Theorie. Vielleicht sollten wir uns in größerem Kreis über die mögliche Vorladung des Präsidenten beraten. Dann stünden Sie mit Ihrer Entscheidung nicht allein.«
    »Ich fürchte, ich muss das allein tragen. Denn wenn mir eine Mehrheit im Beratungsgespräch eine Empfehlung geben würde, der ich dann nicht folgte, sähe das in der Öffentlichkeit nicht gut aus. Mir ist lieber, Sie bestätigen mir später einmal, dass ich
    zumindest verfahrenstechnisch sauber

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