Der Richter aus Paris - Eine fast wahre Geschichte
Gaston mit einem lauten Ruf zurück.
»Hast du die Nachricht bekommen?« »Welche?«
»John hat dir etwas auf so einen Werbezettel geschrieben und hier hinterlassen. Ich habe das Papier der Concierge gegeben,
damit sie es in deinen Briefkasten schmeißt.«
»Ich bin eben erst von einer Dienstreise wiedergekommen und habe meine Post noch nicht durchgesehen. Wird schon dabei sein.«
Gegen zwei Uhr holte Jacques seinen blauen Renault, einen Dienstwagen, aus dem Innenhof seines Wohngebäudes und fuhr über den Platz der Nation und dann durch ein Gewimmel kleiner Straßen hinüber nach Creteil. In der Tiefgarage des Gerichts stellte er den Wagen auf den ihm zugeteilten Platz, schloss wie üblich die Wagentür ab und nahm den Aufzug in die vierte Etage, wo sein Zimmer lag.
Jedes Mal, wenn er von einer längeren Dienstreise oder vom Urlaub wieder ins Büro zurückkehrte, spürte er ein leichtes Unwohlsein. Er dachte immer an die Möglichkeit, dass irgendetwas schief gelaufen sein könnte. Deshalb war er regelrecht erleichtert, als Martine ihm schon im Vorzimmer mit strahlendem Lächeln entgegenkam und sagte: »Ein kleiner Sieg! Ein kleiner Sieg! Es geht voran.«
Jacques schaute sie mit hoch gezogenen Augenbrauen fragend an. Am Morgen hatte der Strafgerichtshof von Paris eine Strafe in Sachen schwarze Kassen verhängt. Einige kleinere, übersichtliche Verfahren hatte Jacques vom Fall des Generals abgetrennt. Brigitte Daux, Bürgermeisterin eines kleinen Vororts, war zu zehntausend Euro Strafe - auf Bewährung -verurteilt worden. Sie hatte in den neunziger Jahren verschiedene neue Gebühren eingeführt: etwa tausend Francs für das Einreichen einer Baugenehmigung, fünfhundert Francs für jede Änderung an dem Papier, was weiter nicht zu kritisieren gewesen wäre, hätte sie nicht dafür gesorgt, dass diese Beträge stets auf ihr Privatkonto eingezahlt wurden. Zudem hatte ein örtlicher Bauunternehmer den Zuschlag für den Bau eines Lycees und zur Vergrößerung anderer Schulen erhalten, aus dessen Endabrechnung mehrere Millionen Francs umgeleitet wurden und der Bürgermeisterin als schwarze Kasse dienten.
Als er die Höhe der Strafe erfuhr, murmelte Jacques kopfschüttelnd: »Na ja, ob das wirklich ein Sieg ist? Und dann auch noch auf Bewährung. Das Urteil fällt wahrscheinlich unter die Amnestie wenn sie denn kommt.«
Der Staatspräsident hatte nach seiner Wiederwahl im Jahr 2002 ganz der republikanischen Tradition folgend die Amnestie angekündigt. Das gehörte sich so in Frankreich, weshalb schon sechs Monate vor einer Wahl kein Verkehrssünder mehr Strafzettel bezahlte - oder sich gar die Mühe gab, richtig zu parken. Es hatte sich eingebürgert, kleinere Strafen etwa bis zu drei Monaten Gefängnis - aufzuheben. Der Staatspräsident zeigte sich einerseits gnädig gegenüber Bürgern, die eine kleine Verfehlung begangen hatten, andererseits aber ging es auch ganz praktisch darum, wieder Platz in den Zellen zu schaffen. Das Amnestiegesetz nach der letzten Präsidentschaftswahl war immer noch nicht erlassen. Vermutlich suchten die Berater des Präsidenten und der Partei, der er einst vorsaß, noch nach einem besonderen Dreh, alle mit den schwarzen Kassen zusammenhängenden Delikte mit einem Streich auslöschen zu können - und das, ohne die Öffentlichkeit gegen sich aufzubringen. Ein schwieriges Unterfangen.
»Zehntausend Euro auf Bewährung«, sagte Jacques, »und wie viel bekommt ein Taschendieb im Durchschnitt?«
»Drei Monate ohne Bewährung«, antwortete Martine und fügte grinsend hinzu, »die dann auch unter die Amnestie fallen.«
Der Nachmittag verging wie im Flug. Jacques weihte Martine kurz in die Fakten ein und bat sie, bei der Gerichtspräsidentin für den kommenden Nachmittag einen Termin zu vereinbaren. Dann informierte er Kommissar Jean Mahon von der Pariser Kriminalpolizei, mit dem er meist zusammenarbeitete. Er kündigte ihm seinen Bericht an und bat ihn dringend, bei Cesaire in Fort-de-France die Gewehre von Gilles Maurel anzufordern und die Untersuchung in Gang zu setzen.
»Und dann versucht doch mal, mehr zu erfahren über einen Victor LaBrousse«, sagte Jacques. »Der ist jetzt Bananenpflanzer auf Martinique, hat aber vorher eine Plantage an der Elfenbeinküste besessen. Auf Martinique läuft er bewacht von schwer bewaffneten Männern rum. Lange Zeit hat er dem General als Kurier gedient, hat gewaschenes Geld von den Caymans nach Paris geschleust. Wenn du deinen guten Kontakt zu den
Weitere Kostenlose Bücher