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Der Richter aus Paris - Eine fast wahre Geschichte

Der Richter aus Paris - Eine fast wahre Geschichte

Titel: Der Richter aus Paris - Eine fast wahre Geschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Wickert
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Belleville, und zwar ganz in der Nähe meiner Wohnung, erschlagen worden - mitten in der Nacht. Vielleicht hat er die Leute mit den großen Ohren gesehen. Mehr wissen wir auch noch nicht.« Jacques ging noch einen kleinen Schritt auf den Journalisten zu. »Und wie läuft es bei Elf?«
    »Sagenhaft! Ein hervorragend vorbereiteter Prozess. War' ja auch was für Sie gewesen, Monsieur le juge.«
    Hier kommt wenigstens vor den Kadi, was Eva Joly, Laurence Vichnievsky und Renaud Van Ruymbeke, drei der besten französischen Untersuchungsrichter, in acht Jahren
    zusammengetragen haben, dachte Jacques. Aber den dreien haben sie auch hart zugesetzt. Im Büro von Eva Joly ist gleich zu Anfang der Untersuchung eingebrochen worden, und alle Unterlagen, die sich wahrscheinlich auf Schmiergeldzahlungen beim Kauf der Raffinerie Leuna in der ehemaligen DDR nach dem Fall der Mauer bezogen haben, sind weg.
    Angeklagt war Loik Le Floch-Prigent, der ehemalige Chef von Elf, und zwei seiner engsten Vertrauten, Alfred Sirven, der sich jahrelang auf den Philippinen verstecken konnte, und Andre Tarallo, ein typischer Korse. Sie haben Elf um rund zwei Milliarden Francs, fast dreihundert Millionen Euro, erleichtert, um fremde Staatspräsidenten, politische Parteien und auch sich selbst zu begünstigen.
    »Richter Michel Desplan hat die drei Angeklagten heute wunderbar gegeneinander ausgespielt. Rausgekommen ist, dass die politischen Parteien jährlich mindestens fünf Millionen Dollar aus der schwarzen Kasse von Elf erhielten. Einer der drei sagte, diese Summe sei sogar sehr niedrig gegriffen. Und bei Präsidentschaftswahlen seien die Kandidaten aller großen Parteien erschienen und hätten die Hand aufgehalten. Jeder erhielt seinen Umschlag oder, besser gesagt, seinen Koffer. Na ja, das ist ja sicher noch nicht alles. Aber geben Sie mir doch noch mal den Namen des Clochards, damit ich ihn aufschreiben kann.«
    Der Journalist zog einen Metallstift aus der Brusttasche seiner Jacke, klappte sein elektronisches Notizbuch auf und schrieb die wenigen Informationen, die er erhalten hatte, direkt auf den Bildschirm.
    »Danke«, sagte er dann und lächelte zufrieden, »ist schon in der Redaktion angekommen.«
    Jacques verabschiedete sich von Jean Mahon, stieg in sein Auto, fuhr auf dem Pont au Change über die Seine, hinüber auf den Quai neben dem Rathaus, schlängelte sich durch die kleinen
    Straßen des Marais bis zur Place de la Republique und fuhr dann auf der Rue J. P. Timbaud in Richtung Boulevard de Belleville. Er hatte keine Verabredung, wollte aber auch niemanden treffen, mit dem er sich über den Fall, den Vorfall oder die Fallen des Lebens ernsthaft unterhalten müsste. Aber er hatte auch keine Lust, in seine Wohnung zu gehen.
    Aufs Geratewohl klingelte er am Atelier des Malers Michel Faublee, der nach einer Weile öffnete und sagte: »Ich male noch. Ich gebe dir eine Flasche Wein, und dann kannst du zuschauen.«
    Um elf hatte Jacques die Flasche ausgetrunken, drei Sätze mit Michel gewechselt, der auf eine hohe Leiter geklettert war und an einem großen Bild malte, das nach Japan gehen würde. Jacques hatte ihm zugeschaut, wie er die Farben mischte, mit dem Pinsel Strich für Strich ausführte, und vor sich hin starrend versucht, sein Inneres zu ordnen. Unbewusst knurrte er ab und zu vor sich hin, und erst als Michel einen leicht verstörten Blick nach ihm warf, wurde er sich dieser Töne bewusst.
    »'tschuldige«, sagte Jacques und nahm einen kleinen Schluck. »Hast du Ärger mit Margaux?«, fragte Michel. »Wenn's nur das wäre. Es läuft alles schief.«
    Plötzlich erhob er sich mit einem Seufzer, rief Michel zu: »Bleib auf deiner Leiter! Danke«, und ging.
    Michel nickte nur. Unschlüssig blickte Jacques die Straße hinunter in Richtung seiner Wohnung. Freitags kamen eine Menge Leute nach Belleville wegen der hervorragenden chinesischen Lokale. Zögernd stieg er in sein Auto, überlegte einen Moment, was er nun tun sollte, steckte den Schlüssel in die Zündung und drehte ihn nach einem weiteren Moment des Zögerns um. Dann fuhr er langsam am Bistro l'Auvergnat vorbei, doch Wirt Gaston hatte schon längst die Gitter vor seinem Eingang heruntergelassen und mit einer Kette und einem Vorhängeschloss verriegelt. Wenn die Gäste rechtzeitig gingen,
    schenkte Gaston nicht länger als bis acht Uhr abends aus.
    Auf dem Gehsteig vor seiner Wohnung stand die leere Bank, auf der John-Kalena immer gesessen hatte. Die Blumen waren weggeräumt

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