Der Richter aus Paris - Eine fast wahre Geschichte
diesem Fall zu tun. Aber ich bin am Wochenende im Büro, und Sie haben den Bericht am Montag früh bestimmt auf Ihrem Schreibtisch. Vielleicht darf ich Sie wegen der anderen Sache morgen mal anrufen?«
»Um Gottes willen, Jacques, dieser Vorfall sollte uns doch lehren, so etwas nicht am Telefon zu besprechen. Ich komme um elf Uhr rein. Sind Sie dann da?«
»Um elf bin ich in Ihrem Büro.«
»Und geben Sie auf sich nachdem
Noch vom Auto aus hatte der Kommissar eine Sitzung einberufen. Sie begann gleich nachdem sie angekommen waren. Ein Untersuchungsrichter, Kollege von Jacques, eröffnete zwei Verfahren. Eines gegen Unbekannt wegen Verletzung des Fernmeldegeheimnisses und eines wegen Mordes an dem Clochard. Jacques übergab ihm den Zettel, den ihm John-Kalena geschrieben hatte, als Beweismittel. Als sie die große Treppe zum Konferenzzimmer hinaufgegangen waren, hatte Kommissar Mahon seine Hand ganz kurz an den Rücken von Jacques gelegt und vertraulich gesagt:
»Halt du dich bitte jetzt zurück, du bist das Opfer und nicht der Untersuchungsrichter. Sei demütig und spiel nicht den politisch verfolgten Richter. Die Sache läuft schon von allein für dich.«
Deshalb hatte Jacques, der sich nur mit Mühe beherrschen konnte, nur auf Fragen geantwortet, obwohl er auch diese Untersuchung am liebsten an sich gezogen hätte. Aber er wusste natürlich, dass er in eigener Sache nun wirklich nicht als Richter auftreten konnte.
Als Jacques und der Kommissar gegen halb sieben wieder allein im Büro saßen, holte Mahon aus einem Schrank eine Flasche Johnny Walker und sagte lachend: »Der Tag geht, und Johnny Walker kommt. Ich glaube, wir brauchen das jetzt. Und ich habe sogar saubere Gläser.«
»Aber Eis hast du nicht?«
»Tut mir Leid. Aber eine frische Flasche Perrier.« »Perrier passt gut, denn alles andere schmeckt nicht.« Sie tranken einen Schluck.
»Wir müssen was für deine Sicherheit tun«, sagte der Kommissar, »am besten meidest du für die nächste Zeit deine Wohnung. Kannst du woanders unterkommen?«
»So schlimm ist es ja nun auch wieder nicht. Die haben mich gerade mal abhören lassen. Ich stehe so sehr in der Öffentlichkeit, da wird sich niemand trauen, mir was zu tun.«
»Vergiss nicht, dass du heute früh hier reingekommen bist und selbst von einem Selbstmord wie Boulin phantasiert hast. Es könnte ja auch bei dir wie ein Unfall aussehen. Immerhin haben sie den Clochard erschlagen, also schrecken sie vor Mord nicht zurück. Auch der General wurde erschossen.«
»Hast du 'nen Revolver für mich?«
»Bist du verrückt, du kannst doch gar nicht schießen.« Der Kommissar dachte einen Moment nach. Dann fragte er: »Willst du heute Nacht bei uns schlafen?«
Jacques hasste es, seine Unabhängigkeit aufzugeben, und noch mehr die Vorstellung, Mahons Frau ertragen zu müssen!
»Danke für das Angebot. Aber ich habe heute Abend noch eine Verabredung, und ich kann dann bei Margaux schlafen.«
»Seid ihr immer noch zusammen? Neulich habe ich die doch irgendwo gesehen«, er machte eine Pause und schüttelte den Kopf, »aber ich weiß auch nicht mehr, wo das war.«
Jacques hatte den Eindruck, der Kommissar erinnerte sich
ganz genau, wollte ihm aber die Wahrheit verschweigen. Egal! Es war aber keine schlechte Idee, sich bei Margaux zu verkriechen.
Jacques packte seinen Aktenkoffer, und gemeinsam verließen die beiden Männer das Büro. Durch lange, leere Flure und versteckte Treppen kamen sie in den Justizpalast, und schon auf dem Weg nach unten hörten sie lautes Gerede und Lachen aus der Wandelhalle. Dort sahen sie dann eine Menge Richter und Rechtsanwälte in Roben, Journalisten und Prozessbeobachter, die aus dem großen Sitzungssaal strömten, in dem der »Prozess Elf« vor zwei Wochen begonnen hatte. Remi Buge, der für die Nachrichtenagentur AFP arbeitete, sah den Untersuchungsrichter mit dem Kommissar auf der Treppe, löste sich sofort aus der Gruppe, in der er gerade stand, kam zu ihnen und fragte, ohne große Einleitung, ob sie schon mehr wüssten über die Abhöranlage. Als sie nicht gleich antworteten, fügte er hinzu: »Wie ich höre, hängt damit auch der Tod eines Clochards zusammen.«
Jacques warf einen Blick auf den Kommissar, der keine Miene verzog, aber dann doch sagte: »Nicht zum Zitieren, aber schauen Sie einfach mal nach, was in der Lokalpresse über den Tod von...« Er wandte sich an Jacques, »... wie heißt er?«
»John-Kalena Senga. Ist vor einer Woche auf dem Boulevard de
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