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Der Richter und sein Henker - Der Verdacht

Der Richter und sein Henker - Der Verdacht

Titel: Der Richter und sein Henker - Der Verdacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Dürrenmatt
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diesen Ab-gründen. So trafen sie sich zum letzten Male, der Jäger und das Wild, das nun erledigt zu seinen Füßen lag. Bärlach ahnte, daß sich nun das Leben beider zu Ende gespielt hatte, und noch einmal glitt sein Blick die Jahre hindurch, legte sein Geist den Weg durch die geheimnisvollen Gänge des Laby-rinths zurück, das beider Leben war. Nun blieb zwischen ihnen nichts mehr als die Unermeßlichkeit des Todes, ein Richter, dessen Urteil das Schweigen ist. Bärlach stand immer noch gebückt, und das fahle Licht der Zelle lag auf seinem Gesicht und auf seinen Händen, umspielte auch die Leiche, für beide geltend, für beide erschaffen, beide versöhnend. Das Schweigen des Todes sank auf ihn, kroch in ihn hinein, aber es gab ihm keine Ruhe wie dem ändern. Die Toten haben immer recht. Langsam deckte Bärlach das Gesicht Gastmanns wieder zu. Das letzte Mal, daß er ihn sah; von nun an gehörte sein Feind dem Grab. Nur ein 133
    Gedanke hatte ihn jahrelang beherrscht: den zu vernichten, der nun im kahlen grauen Räume zu seinen Füßen lag, vom niederfallenden Gips wie mit leichtem, spärlichem Schnee bedeckt; und nun war dem Alten nichts mehr geblieben als ein müdes Zudecken, als eine demütige Bitte um Vergessen, die einzige Gnade, die ein Herz besänftigen kann, das ein wütendes Feuer verzehrt.

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    Dann, noch am gleichen Tag, Punkt acht, betrat Tschanz das Haus des Alten im Altenberg, von ihm. dringend für diese Stunde hergebeten. Ein junges Dienstmädchen mit weißer Schürze hatte ihm zu seiner Verwunderung geöffnet, und wie er in den Korridor kam, hörte er aus der Küche das Kochen und Brodeln von Wasser und Speisen, das Klirren von Geschirr. Das Dienstmädchen nahm ihm den Mantel von den Schultern. Er trug den linken Arm in der Schlinge; trotzdem war er im Wagen gekommen. Das Mädchen öffnete ihm die Türe zum Eßzimmer, und erstarrt blieb Tschanz stehen: der Tisch war feierlich für zwei Personen gedeckt. In einem Leuchter brannten Kerzen, und an einem Ende des Tisches saß Bärlach in einem Lehnstuhl, von den Flammen rot beschienen, ein unerschütterliches Bild der Ruhe. »Nimm Platz, Tschanz«, rief der Alte seinem Gast entgegen und wies auf einen zweiten Lehnstuhl, der an den Tisch gerückt war. Tschanz setzte sich betäubt.
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    »Ich wußte nicht, daß ich zu einem Essen
    komme«, sagte er endlich.
    »Wir müssen deinen Sieg feiern«, antwortete der Alte ruhig und schob den Leuchter etwas auf die Seite, so daß sie sich voll ins Gesicht sahen.
    Dann klatschte er in die Hände. Die Türe öffnete sich, und eine stattliche, rundliche Frau brachte eine Platte, die bis zum Rande überhäuft war mit Sardinen, Krebsen, Salaten von Gurken, Tomaten, Erbsen, besetzt mit Bergen von Mayonnaise und Eiern, dazwischen kalter Aufschnitt, Hühnerfleisch und Lachs. Der Alte nahm von allem. Tschanz, der sah, was für eine Riesenportion der Magenkranke aufschichtete, ließ sich in seiner Verwunderung nur etwas Kartoffelsalat geben.
    »Was wollen wir trinken?« sagte Bärlach, »Ligerzer?«
    »Gut, Ligerzer«, antwortete Tschanz wie träu-mend. Das Dienstmädchen kam und schenkte ein.
    Bärlach fing an zu essen, nahm dazu Brot, ver-schlang den Lachs, die Sardinen, das Fleisch der roten Krebse, den Aufschnitt, die Salate, die Mayonnaise und den kalten Braten, klatschte in die Hände, verlangte noch einmal. Tschanz, wie starr, war noch nicht mit seinem Kartoffelsalat fertig.
    Bärlach ließ sich das Glas zum dritten Male füllen.
    »Nun die Pasteten und den roten Neuenburger«, rief er. Die Teller wurden gewechselt, Bärlach ließ 136
    sich drei Pasteten auf den Teller legen, gefüllt mit Gänseleber, Schweinefleisch und Trüffeln.
    »Sie sind doch krank, Kommissär«, sagte
    Tschanz endlich zögernd.
    »Heute nicht, Tschanz, heute nicht. Ich feiere, daß ich Schmieds Mörder endlich gestellt habe!«
    Er trank das zweite Glas Roten aus und fing die dritte Pastete an, pausenlos es send, gierig die Speisen dieser Welt in sich hineinschlingend, zwischen den Kiefern zermalmend, ein Dämon, der einen unendlichen Hunger stillte. An der Wand zeichnete sich, zweimal vergrößert, in wilden Schatten seine Gestalt ab, die kräftigen Bewegungen der Arme, das Senken des Kopfes, gleich dem Tanz eines triumphierenden Negerhäuptlings. Tschanz sah voll Entsetzen nach diesem unheimlichen
    Schauspiel, das der Todkranke bot. Unbeweglich saß er da, ohne zu essen, ohne den geringsten Bis -
    sen zu sich zu nehmen, nicht einmal

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