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Der Richter und sein Henker - Der Verdacht

Der Richter und sein Henker - Der Verdacht

Titel: Der Richter und sein Henker - Der Verdacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Dürrenmatt
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am Glas nippte er. Bärlach ließ sich. Kalbskoteletten, Reis, Pommes frites und grünen Salat bringen, dazu Champagner. Tschanz zitterte.
    »Sie verstellen sich«, keuchte er, »Sie sind nicht krank!«
    Der andere antwortete nicht sofort. Zuerst lachte er, und dann beschäftigte er sich mit dem Salat, jedes Blatt einzeln genießend. Tschanz wagte nicht, den grauenvollen Alten ein zweites Mal zu fragen.
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    »Ja, Tschanz«, sagte Bärlach endlich, und seine Augen funkelten wild, »ich habe mich verstellt. Ich war nie krank«, und er schob sich ein Stück Kalbfleisch in den Mund, aß weiter, unaufhörlich, unersättlich.
    Da begriff Tschanz, daß er in eine heimtückische Falle geraten war, deren Türe nun hinter ihm ins Schloß schnappte. Kalter Schweiß brach aus seinen Poren. Das Entsetzen umklammerte ihn mit immer stärkeren Armen. Die Erkenntnis seiner Lage kam zu spät, es gab keine Rettung mehr.
    »Sie wissen es, Kommissär«, sagte er leise.
    »Ja, Tschanz, ich weiß es«, sagte Bärlach fest und ruhig, aber ohne dabei die Stimme zu rieben, als spräche er von etwas Gleichgültigem. »Du bist Schmieds Mörder.« Dann griff er nach dem Glas Champagner und leerte es in einem Zug.
    »Ich habe es immer geahnt, daß Sie es wissen«, stöhnte der andere fast unhörbar.
    Der Alte verzog keine Miene. Es war, als ob ihn nichts mehr interessiere als dieses Essen; unbarmherzig häufte er sich den Teller zum zweiten-mal voll mit Reis, goß Sauce darüber, türmte ein Kalbskotelett obenauf. Noch einmal versuchte sich Tschanz zu retten, sich gegen d en teuflischen Esser zur Wehr zu setzen.
    »Die Kugel stammt aus dem Revolver, den man beim Diener gefunden hat«, stellte er trotzig fest.
    Aber seine Stimme klang verzagt.
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    In Bärlachs zusammengekniffenen Augen wet-terleuchtete es verächtlich. »Unsinn, Tschanz. Du weißt genau, daß es dein Revolver ist, den der Diener in der Hand hielt, als man ihn fand. Du selbst hast ihn dem Toten in die Hand gedrückt. Nur die Entdeckung, daß Gastmann ein Verbrecher war, verhinderte, dein Spiel zu durchschauen.«
    »Das werden Sie mir nie beweisen können«, lehnte sich Tschanz verzweifelt auf.
    Der Alte reckte sich in seinem Stuhl, nun nicht mehr krank und zerfallen, sondern mächtig und gelassen, das Bild einer übermenschlichen Über-legenheit, ein Tiger, der mit seinem Opfer spielt, und trank den Rest des Champagners aus. Dann ließ er sich von der unaufhörlich kommenden und gehenden Bedienerin Käse servieren; dazu aß er Radieschen, Salzgurken und Perlzwiebeln. Immer neue Speisen nahm er zu sich, als koste er nur noch einmal, zum letzten Male das, was die Erde dem Menschen bietet.
    »Hast du es immer noch nicht begriffen,
    Tschanz«, sagte er endlich, »daß du mir deine Tat schon lange bewiesen hast? Der Revolver stammt von dir; denn Gastmanns Hund, den du erschossen hast, um mich zu retten, wies eine Kugel vor, die von der Waffe stammen mußte, die Schmied den Tod brachte: von deiner Waffe. Du selber brachtest die Indizien herbei, die ich brauchte. Du hast dich verraten, als du mir das Leben rettetest.«
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    »Als ich Ihnen das Leben rettete! Darum fand ich die Bestie nicht mehr«, antwortete Tschanz mechanisch. »Wußten Sie, daß Gastmann einen Bluthund besaß?«
    »Ja. Ich hatte meinen linken Arm mit einer Decke umwickelt.«
    »Dann haben Sie mir auch hier eine Falle gestellt«, sagte der Mörder fast tonlos.
    »Auch damit. Aber den ersten Beweis hast du mir gegeben, als du mit mir am Freitag über Ins nach Ligerz fuhrst, um mir die Komödie mit dem
    >blauen Charon< vorzuspielen. Schmied fuhr am Mittwoch über Zollikofen, das wußte ich, denn er hielt in jener Nacht bei der Garage in Lyß.«
    »Wie konnten Sie das wissen?« fragte Tschanz.
    »Ich habe ganz einfach telefoniert. Wer in jener Nacht über Ins und Erlach fuhr, war der Mörder: du, Tschanz. Du kamst von Grindelwald. Die Pension Eiger besitzt ebenfalls einen blauen Mercedes. Seit Wochen hattest du Schmied beobachtet, jeden seiner Schritte überwacht, eifersüchtig auf seine Fähigkeiten, auf seinen Erfolg, auf seine Bildung, auf sein Mädchen. Du wußtest, daß er sich mit Gastmann beschäftigte, du wußtest sogar, wann er ihn besuchte, aber du wußtest nicht, warum. Da fiel dir durch Zufall auf seinem Pult die Mappe mit den Dokumenten in die Hände. Du beschlössest, den Fall zu übernehmen und Schmied zu töten, um einmal selber Erfolg zu haben. Du 140
    dachtest richtig, es würde dir leichtfallen,

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