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Der Richter

Der Richter

Titel: Der Richter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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gefunden hatte, den er suchte. »Besucher sind nicht erlaubt«, verkündete der Wachmann hochmütig.
    Ray erfand eine Familienkrise und betonte, wie wichtig es sei, dass er seinen Bruder sehe. Widerstrebend erklärte ihm der Posten, dass er seinen Namen und seine Telefonnummer hinterlassen müsse, dann werde ihn eventuell jemand zurückrufen. Am nächsten Tag angelte Ray gerade am Flathead River Forellen, als sein Handy klingelte. Eine unfreundliche Stimme gab sich als Allison von der Morningstar Ranch zu erkennen und fragte nach Ray Atlee.
    Dachte sie, dass noch andere Zugang zu seinem Handy hatten?
    Er gab sich als Ray Atlee zu erkennen, und daraufhin erkundigte sie sich, was er wolle. »Mein Bruder ist bei Ihnen«, erklärte er so höflich wie möglich. »Sein Name ist Forrest Atlee, und ich möchte ihn gern sehen.«
    »Und warum glauben Sie, dass er sich bei uns aufhält?«
    »Er ist bei Ihnen. Sie wissen es, ich weiß es. Können wir also bitte mit den Spielchen aufhören?«
    »Ich kümmere mich darum, aber ich kann Ihnen nicht versprechen, dass Sie noch einmal zurückgerufen werden.«
    Die nächste unfreundliche Stimme gehörte einem gewissen Darrel, der irgendeinen Verwaltungsposten innehatte. Der Anruf kam spät am Nachmittag, während Ray in den Bergen der Swan Range in der Nähe des Hungry-Horse-Stausees wanderte. Darrel war ebenso brüsk wie Allison.
    »Nur eine halbe Stunde. Dreißig Minuten«, teilte er Ray mit. »Morgen um zehn Uhr.«

    Ein Hochsicherheitsgefängnis wäre gemütlicher gewesen. Der Wachposten vom Vortag durchsuchte ihn und seinen Wagen am Tor. »Folgen Sie ihm«, sagte er dann, womit er einen weiteren Wachmann meinte, der in einem Golfwagen in der schmalen Einfahrt wartete und Ray zu einem kleinen Parkplatz in der Nähe des vorderen Gebäudes brachte. Als er ausstieg, wartete Allison bereits auf ihn - unbewaffnet. Sie war groß und wirkte sehr maskulin. Bei dem obligatorischen Händedruck fühlte Ray sich körperlich hoffnungslos unterlegen. Sie führte ihn ins Gebäude, in dem Kameras offen jede Bewegung überwachten. In einem fensterlosen Raum übergab sie ihn einem grimmigen Beamten, der jede einzelne Falte an Rays Körper mit flinken Fingern abtastete. Den Lendenbereich sparte er aus, obwohl Ray einen entsetzlichen Augenblick lang fürchtete, er würde auch dort zugrei-fen.
    »Ich besuche doch nur meinen Bruder«, protestierte er, was ihm fast einen Kinnhaken eingebracht hätte.
    Nachdem er gründlich durchsucht und für ungefährlich befunden worden war, holte Allison ihn ab und führte ihn durch einen kurzen Gang in einen kahlen, kleinen Raum, der stark an eine Gummizelle erinnerte und bis auf die Glasscheibe in der einzigen Tür fensterlos war. Allison deutete darauf.
    »Wir werden Sie beobachten«, verkündete sie drohend.
    »Was erwarten Sie zu sehen?«
    Die Frage trug Ray einen wütenden Blick ein, und er fürchtete schon, sie würde ihn niederschlagen.
    Mitten im Raum stand ein quadratischer Tisch mit einem Stuhl auf jeder Seite. »Setzen Sie sich dorthin«, befahl sie, und Ray nahm folgsam den ihm zugewiesenen Platz ein. Mit dem Rücken zur Tür sitzend, starrte er zehn Minuten lang die Wand an.
    Schließlich öffnete sich die Tür, und Forrest trat ein, allein, ohne Ketten oder Handschellen. Kein stämmiger Wachmann, der ihn herumschubste.
    Wortlos ließ er sich Ray gegenüber nieder und faltete die Hände auf dem Tisch, als wäre es Zeit für eine Meditation. Sein Haar war verschwunden, abrasiert bis auf ein paar symbolische Millimeter. Über den Ohren war sein Schädel völlig kahl. Sein Gesicht war ebenfalls sauber rasiert, und er schien fast zehn Kilo abgenommen zu haben. Das weite, geknöpfte Hemd in dunk-lem Oliv wirkte mit dem schmalen Kragen und den beiden großen Taschen fast militärisch. Ray eröffnete das Gespräch. »Scheint ein Trainingslager für Rekruten zu sein«, sagte er.
    »Einfach ist es nicht«, gab Forrest sehr langsam und leise zurück.
    »Unterziehen sie dich einer Gehirnwäsche?«
    »Allerdings.«
    Da Ray wegen des Geldes hier war, beschloss er, Forrest gleich darauf anzusprechen. »Was bekommst du hier für siebenhundert Dollar pro Tag?«
    »Ein neues Leben.«
    Ray nickte zustimmend, während Forrest ihn ausdruckslos anstarrte, oh-ne auch nur einmal zu blinzeln. Sein Blick wirkte verloren, als wäre Ray nicht sein Bruder, sondern ein völlig Fremder.
    »Und du bleibst zwölf Monate hier?«
    »Mindestens.«
    »Das ist eine Viertelmillion

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