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Der Richter

Der Richter

Titel: Der Richter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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Vater, aber bei ihrer Beerdigung habe ich nicht viele Tränen vergossen.«
    »Mir reicht eine Beerdigung auf einmal.«
    »Tut mir Leid.«
    »Was stand in dem Testament, das du mit ihm aufgesetzt hast? Dem letzten?«
    Harry Rex legte den Nachruf auf den Schreibtisch und setzte sich. Er sah an Ray vorbei aus dem Fenster und sagte dann leise: »Der Richter wollte eine Stiftung gründen, in die der Erlös aus dem Verkauf dieses Hauses gehen sollte. Ich wäre der Treuhänder gewesen, und als solcher hätte ich dir und ihm« - er nickte Richtung Veranda - »das Geld ausbezahlt. Forrests erste Hunderttausend allerdings waren in die Erbmasse zurückgegangen, denn so viel schuldete er dem Richter nach dessen Berechnung.«
    »Nicht zu glauben.«
    »Ich habe versucht, es ihm auszureden.«
    »Gott sei Dank hat er das Testament vernichtet.«
    »Allerdings. Er wusste selbst, dass es keine gute Idee war, aber er wollte Forrest vor sich selbst schützen.«
    »Das haben wir zwanzig Jahre lang versucht.«
    »Er hat jede Möglichkeit in Erwägung gezogen. Er wollte schon alles dir vermachen und ihn außen vor lassen, aber er wusste, dass das zu Auseinan-dersetzungen zwischen euch führen würde. Als er sich wieder mal darüber aufregte, dass keiner von euch hier leben wollte, bat er mich, ein Testament aufzusetzen, in dem das Haus der Kirche überschrieben wird. Das hat er allerdings nie unterzeichnet. Als Palmer ihn wegen der Todesstrafe nervte, verwarf er die Idee und verfügte stattdessen, dass der Erlös aus dem Verkauf des Hauses an die Wohlfahrt gehen soll.« Harry Rex streckte seine Arme nach oben aus, bis seine Wirbelsäule knackte. Nach zwei Rücken-operationen fühlte er sich selten richtig schmerzfrei. »Vermutlich«, fuhr er fort, »wollte er, dass ihr beide, du und Forrest, kommt, damit ihr zu dritt entscheidet, was mit dem Nachlass geschieht.«
    »Und warum hat er dann in letzter Minute noch einmal ein neues Testament geschrieben?«
    »Das werden wir wohl nie erfahren. Vielleicht war er die Schmerzen leid. Ich nehme an, er wurde süchtig nach dem Morphium, so wie es den meisten irgendwann ergeht. Vielleicht wusste er, dass er im Sterben lag.«
    Ray blickte in die Augen von General Nathan Bedford Forrest, der fast ein Jahrhundert lang von derselben Stelle aus streng über das Arbeitszimmer des Richters gewacht hatte. Er zweifelte nicht daran, dass sein Vater sich zum Sterben auf das Sofa gelegt hatte, damit ihm der General in seiner schwersten Stunde zur Seite stand. Der General wusste Bescheid. Er wusste, wie und wann der Richter gestorben war. Er wusste, woher das Geld stammte. Er wusste, wer letzte Nacht eingebrochen war und das Büro durchwühlt hatte.
    »Hat er Claudia jemals etwas zugedacht?«, fragte Ray.
    »Nie. Du weißt, dass er ziemlich nachtragend sein konnte.«
    » Sie war heute Morgen hier.«
    »Was wollte sie?«
    »Ach glaube, sie war auf Geld aus. Sie sagte, der Richter habe ihr immer versprochen, sich um sie zu kümmern, und wollte wissen, was in dem Testament steht.«
    »Hast du es ihr gesagt?«
    »Mit der größten Freude.«
    »Sie kommt schon durch, um diese Frau muss man sich keine Sorgen machen. Erinnerst du dich an den alten Walter Sturgis aus Karraway, der jahrelang Bauunternehmer war, ein Geizkragen, wie er im Buche steht?«
    Harry kannte jeden in Ford County, sämtliche dreißigtausend Seelen, Schwarze, Weiße und inzwischen auch die Mexikaner.
    »Ich glaube nicht.«
    »Gerüchten zufolge soll er eine halbe Million Dollar in bar besitzen.
    Darauf hat sie’s jetzt abgesehen. Bringt den alten Knaben dazu, dass er Golfhemden trägt und im Country-Klub isst. Seinen Kumpels erzählt er, dass er jeden Tag Viagra nimmt.«

    »Armer Kerl.«
    »Sie wird ihm das Genick brechen.«
    Forrest bewegte sich offenbar auf der Schaukel, denn das Gestänge quietschte. Sie warteten einen Augenblick, bis draußen wieder alles still war. Harry Rex klappte eine Mappe auf. »Hier ist die Schätzung des Hauses. Wir haben sie letztes Jahr von einem Typ aus Tupelo anfertigen lassen.
    Er ist wahrscheinlich der beste Schätzer im Norden Mississippis.«
    »Und?«
    »Vierhunderttausend. «
    »Verkauft.«
    »Ich denke, er hat ziemlich hoch gegriffen. Der Richter meinte natürlich, das Haus wäre mindestens eine Million wert.«
    »Klar.«
    »Ich glaube, dreihundert sind realistischer.«
    »Wir werden nicht einmal halb so viel bekommen. Worauf basiert die Schätzung?«
    »Hier steht’s … Wohnfläche, Größe des Grundstücks,

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