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Der Richter

Der Richter

Titel: Der Richter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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Lage, Vergleiche, das Übliche eben.«
    »Gib mir einen Vergleich.«
    Harry Rex blätterte das Gutachten durch. »Hier ist einer. Eine Immobilie, etwa gleich alt, gleiche Größe, dreißig Morgen Land, am Stadtrand von Holly Springs … Wurde vor zwei Jahren für insgesamt acht-hunderttausend verkauft.«
    »Clanton ist nicht Holly Springs.«
    »Nein, in der Tat nicht.«
    »Es ist eine Vorkriegsstadt mit einem Haufen alter Bruchbuden.«
    »Soll ich den Schätzer verklagen?«
    »Ja, den holen wir uns. Was würdest du für das Haus bezahlen?«
    »Gar nichts. Möchtest du ein Bier?«
    »Nein.«
    Harry Rex ging in die Küche und kam mit einer großen Dose Pabst Blue Ribbon zurück. »Ich weiß nicht, warum er ausgerechnet dieses Gebräu kauft«, murmelte er und nahm einen großen Zug.
    »War von jeher seine Lieblingsmarke.«
    Harry Rex äugte durch die Schlagläden, sah aber nichts außer Forrests Fuß, der von der Schaukel hing. »Ich glaube nicht, dass er sich viele Gedanken über das Erbe eures Vaters macht.«
    »Er ist wie Claudia, ihn interessiert nur ein Scheck.«

    »Geld würde ihn umbringen.«
    Es war beruhigend, dass Harry Rex diese Meinung teilte. Ray wartete, bis er zum Schreibtisch zurückgekommen war, weil er seine Augen sehen wollte, wenn er ihm die große Eröffnung machte. »Der Richter hat letztes Jahr weniger als viertausend Dollar verdient«, sagte er mit einem Blick auf eine Steuererklärung.
    »Er war krank«, erwiderte Harry Rex, während er seinen breiten Rü-
    cken streckte und drehte, um sich dann wieder zu setzen. »Bis vor zwei Jahren hat er noch Fälle verhandelt.«
    »Welche Art von Fällen?«
    »Alles Mögliche. Vor ein paar Jahren hatten wir so einen erzkonser-vativen Gouverneur …«
    »Ich erinnere mich.«
    »Betete ständig im Wahlkampf, predigte Familienwerte und war gegen alles außer Waffen. Irgendwann kam heraus, dass er eine Schwäche für Frauen hatte, seine Gattin erwischte ihn mit einer anderen, und es gab einen Mordsstunk. Ziemlich heikle Angelegenheit. Die Richter in Jackson wollten aus offensichtlichen Gründen nichts damit zu tun haben, und so baten sie den Richter zu schlichten.«
    »Kam es zum Prozess?«
    »0 ja, und es wurde die reinste Schlammschlacht. Die Ehefrau hatte die richtigen Anwälte auf den Gouverneur angesetzt, und er glaubte, er könnte den Richter einschüchtern. Am Ende bekam sie die Villa und den größten Teil seines Geldes. Das Letzte, was ich von ihm gehört habe, ist, dass er über der Garage seines Bruders wohnt, natürlich mit Bodyguards.«
    »Hast du den Alten jemals eingeschüchtert erlebt?«
    »Nie, nicht ein einziges Mal in dreißig Jahren.«
    Harry Rex trank einen Schluck Bier, und Ray sah sich eine weitere Steuererklärung an. Alles war ruhig. Als Ray Forrest wieder schnarchen hörte, sagte er: »Ich habe Geld gefunden, Harry Rex.«
    Die Augen verrieten nichts. Weder Komplizenschaft noch Überraschung, noch Erleichterung. Er blinzelte nicht und starrte auch nicht. Er wartete und fragte dann achselzuckend: »Wie viel?«
    »Einen Karton voll.« Ray hatte versucht, sich auf die Fragen vorzubereiten, die unweigerlich kommen mussten.
    Wieder wartete Harry Rex, dann folgte ein weiteres unschuldiges Achselzucken. »Und wo?«

    »Da drüben, in dem Schrank hinter dem Sofa. Es lag bar in einem Karton. über neunzigtausend Dollar.«
    Bis jetzt hatte er noch nicht gelogen. Er hatte vielleicht nicht die ganze Wahrheit gesagt, aber auch nicht gelogen. Noch nicht.
    »Neunzigtausend Dollar?«, echote Harry Rex ein wenig zu laut, und Ray machte eine Kopfbewegung Richtung Veranda.
    »Ja, in Hundert-Dollar-Scheinen«, erwiderte er leise. »Irgendeine Idee, woher das Geld stammt?«
    Harry Rex nahm einen Schluck aus der Dose, blickte mit zusammenge-kniffenen Augen an die Wand und sagte schließlich: »Eigentlich nicht.«
    »Glücksspiel vielleicht? Du sagtest, er war gut im Würfeln.«
    Noch ein Schluck. »Ja, vielleicht. Die Kasinos haben vor sechs oder sieben Jahren eröffnet, und wir sind zumindest am Anfang einmal die Woche hingegangen.«
    »Dann nicht mehr?«
    »Schön wär’s. Unter uns gesagt, ich ging viel öfter hin. Ich habe ziemlich exzessiv gespielt und wollte nicht, dass der Richter etwas davon erfährt.
    Wenn wir zusammen dort waren, hielt ich mich immer zurück. Am nächsten Abend fuhr ich dann heimlich hin und ließ es krachen.«
    »Wie viel hast du verloren?«
    »Reden wir lieber über den Richter.«
    »Okay, hat er gewonnen?«
    »Im Allgemeinen

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