Der Richter
Abendessen, Eintrittskarten für eine Show, einen besseren Preis für das Zimmer, alle möglichen Vergünstigungen, die wir anbieten. Sie haben Mit-gliedskarten, anhand derer wir feststellen können, mit welchen Beträgen sie spielen. Der Spieler aus Ihrem Beispiel hat keine Karte, daher fragen wir ihn, ob er ein Konto eröffnen möchte.«
»Was passiert, wenn er nein sagt?«
»Kein Problem. Fremde kommen und gehen die ganze Zeit. «
»Aber wir versuchen natürlich, sie im Auge zu behalten«, gestand Barker ein.
Ray kritzelte etwas Bedeutungsloses auf sein gefaltetes Stück Papier.
»Tauschen die Kasinos untereinander Informationen aus?«, fragte er. Zum ersten Mal schienen sowohl Piccolo als auch Barker nicht antworten zu wollen.
»Was meinen Sie mit ›Informationen austauschen‹?«, fragte Piccolo schließlich mit einem Lächeln, das Ray prompt erwiderte. Barker beeilte sich, ebenfalls zu lächeln.
Noch während alle drei lächelten, sagte Ray: »Nehmen wir wieder unseren kontinuierlich gewinnenden Spieler als Beispiel. Angenommen, der Mann spielt an einem Abend im ‘Monte Carlo’, am nächsten im ‘Treasure Cove’, am dritten im ‘Alladin’ und so weiter. Er spielt in allen Kasinos, die es hier gibt, und gewinnt erheblich mehr, als er verliert. Das geht etwa ein Jahr so. Wie viel wissen Sie in der Regel über einen solchen Spieler?«
Piccolo nickte in Barkers Richtung, der mit Daumen und Zeigefinger an seiner Lippe zupfte. »Wir wissen eine Menge«, gab er widerwillig zu.
»Wie viel?«, drängte Ray.
»Nur zu«, sagte Piccolo zu Barker, der zögernd zu reden begann.
»Wir kennen seinen Namen, seine Adresse, seinen Beruf, Telefonnummer, Autokennzeichen, Bankverbindung. Wir wissen, wo er abends ist, wann er ankommt, wann er geht, wie viel er gewinnt oder verliert, wie viel er trinkt, ob er zu Abend gegessen hat, der Kellnerin ein Trinkgeld gegeben hat, und falls ja, wie viel, und wie viel der Geber bekommen hat.«
»Legen Sie für solche Spieler eine Akte an?«
Barker sah Piccolo an, der ihm langsam zunickte, aber schwieg. Die beiden wollten nichts mehr sagen, weil Ray ihnen zu dicht auf die Pelle rückte.
Er sagte, dass er jetzt doch gern eine Tour durchs Kasino machen würde.
Sie gingen in den Spielsaal hinunter, wo er sich nicht die Spieltische, sondern die Kameras an der Decke ansah. Piccolo deutete auf einige Sicherheitsleute. Sie standen neben einem Blackjack-Tisch, an dem ein Jugendlicher, der wie ein Teenager aussah, mit Stapeln von Hundert-Dollar-Jetons spielte.
»Er ist aus Reno«, flüsterte Piccolo. »Letzte Woche nach Tunica gekommen. Seitdem hat er uns dreißig Riesen abgenommen. Sehr, sehr gut.«
»Und er zählt keine Karten«, flüsterte Barker.
»Manche haben einfach Talent fürs Spiel, wie andere für Golf oder Herzchirurgie«, sagte Piccolo.
»Spielt er in allen Kasinos?«, wollte Ray wissen.
»Noch nicht, aber die anderen warten schon auf ihn.« Der Junge aus Re-no machte sowohl Barker als auch Piccolo sehr nervös.
Rays Besuch endete im Foyer des Kasinos, wo sie etwas Alkoholfreies tranken und noch ein paar Worte wechselten. Ray hatte seine Liste mit Fragen abgehakt, die alle auf das große Finale hinführten.
»Ich würde Sie gern um einen Gefallen bitten«, sagte er zu den beiden.
Sicher, kein Problem. »Mein Vater ist vor einigen Wochen gestorben, und es gibt Grund zu der Annahme, dass er oft hier war und gewürfelt hat. Vielleicht hat er erheblich mehr gewonnen als verloren. Ließe sich das überprü-
fen?«
»Wie hieß er?«, fragte Barker.
»Reuben Atlee. Aus Clanton.«
Barker schüttelte verneinend den Kopf, während er ein Handy aus der Tasche zog.
»Wie viel?«, wollte Piccolo wissen.
»Ich weiß nicht, vielleicht eine Million in einem Zeitraum von mehreren Jahren.«
Barker schüttelte immer noch den Kopf. »Auf keinen Fall. Wir kennen jeden, der solche Summen gewinnt oder verliert.« Dann bat er die Person am anderen Ende der Leitung, einen gewissen Reuben Atlee zu überprüfen.
»Sie glauben, dass er eine Million Dollar gewonnen hat?«, fragte Piccolo.
»Gewonnen und verloren«, erwiderte Ray. »Wie gesagt, wir wissen es nicht genau.«
Barker beendete das Telefonat. »Wir haben keine Informationen über einen Reuben Atlee. Er hat hier bestimmt nicht sehr oft gespielt.«
»Und wenn er in einem der anderen Kasinos gespielt hat?« Ray ahnte, wie die Antwort ausfallen würde.
»Das würden wir wissen«, sagten beide wie aus einem Mund.
24
Ray
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