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Der Richter

Der Richter

Titel: Der Richter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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Richters vermerkt. Wie Sie sehen, sind die meisten Fälle im März weiterverhandelt worden.«
    Ray sah sich die Seiten an und hörte ihr gleichzeitig zu.
    »Interessieren Sie sich für einen bestimmten Prozess?«
    »Können Sie sich an einen Fall erinnern, bei dem Richter Atlee aus Ford County den Vorsitz geführt hat? Ich glaube, er hat hier einen Fall als Sonderrichter verhandelt«, fragte er beiläufig. Die Frau starrte ihn an, als hätte er sie gebeten, ihm ihre Scheidungsakte zu zeigen.
    »Sind Sie Reporter?«, fragte sie, und Ray wäre fast einen Schritt zurück-gewichen.
    »Muss ich das sein?«, fragte er. Zwei der anderen Angestellten hörten auf zu arbeiten und starrten missbilligend zu ihm herüber.
    Sie sah ihn mit einem gezwungenen Lächeln an. »Nein, aber dieser Fall hat Aufsehen erregt. Sehen Sie hier, das ist er.« Sie deutete auf den Eintrag.
    In der Prozessliste war der Fall lediglich mit Gibson v. Miyer-Brack aufgeführt. Ray nickte zustimmend, als hätte er genau das gefunden, wonach er gesucht hatte. »Und wo haben Sie die Akte?«, fragte er.
    »Die ist ziemlich dick«, antwortete sie.
    Er folgte ihr in einen Raum, in dem schwarze Metallschränke mit tau-senden Akten standen. Sie wusste genau, zu welchem Schrank sie gehen musste. »Unterschreiben Sie hier.« Sie reichte ihm ein Klemmbrett mit einem Formular. »Nur Ihren Namen und das Datum. Den Rest trage ich ein.«
    »Um was ging es bei dem Fall?«, fragte er, während er das Formular ausfüllte.
    »Schuldhaft verursachter Tod.« Sie öffnete eine lange Schublade und deutete von einem Ende zum anderen. »Alles von diesem Prozess. Die vorbereitenden Schriftsätze fangen hier an, dann kommt die Offenlegung der Beweismittel, dann die Prozessmitschrift. Sie können die Unterlagen zu dem Tisch da drüben mitnehmen, aber Sie dürfen den Raum nicht verlassen. Anordnung vom Richter.«
    »Von welchem Richter?«
    »Richter Atlee.«
    »Richter Atlee ist verstorben.«
    »Das war sicher nicht das Schlechteste, was passieren konnte«, sagte sie, während sie sich abwandte. Der Sauerstoff schien den Raum mit ihr zu verlassen, und Ray brauchte ein paar Sekunden, bis er wieder denken konnte.
    Die Akte war über einen Meter dick, aber das war ihm egal. Er hatte den ganzen Sommer Zeit.

    Clete Gibson starb 1997 im Alter von einundsechzig Jahren. Todesursache war Nierenversagen. Ursache des Nierenversagens war ein Medikament namens Ryax des Herstellers Miyer-Brack. Das behauptete zumindest der Kläger, und es wurde vom Ehrenwerten Reuben V. Atlee, der als Sonderrichter den Vorsitz führte, für wahr befunden.
    Mr. Gibson hatte Ryax acht Jahre lang genommen, um seinen hohen Cholesterinspiegel zu senken. Das Medikament war ihm von seinem Haus-arzt verschrieben und von seinem Apotheker verkauft worden, die von Gibsons Witwe und seinen Kindern ebenfalls verklagt wurden. Nachdem Gibson das Medikament etwa fünf Jahre lang genommen hatte, bekam er Probleme mit den Nieren und ließ sich daher von mehreren Ärzten behandeln.
    Damals waren keine Nebenwirkungen von Ryax, einem verhältnismäßig neuen Medikament, bekannt. Als es bei Gibson zu einem Nierenversagen kam, lernte er durch Zufall einen Rechtsanwalt namens Patton French kennen. Das war kurz vor seinem Tod.
    Patton French war von der Kanzlei French & French in Biloxi. Im Briefkopf der Kanzlei wurden sechs weitere Anwälte aufgeführt. Außer dem Hersteller, dem Arzt und dem Apotheker wurden als Beklagte ein örtlicher Pharmavertreter aus der Gegend und dessen Grossist in New Orleans genannt. jeder Beklagte wurde von einer großen Kanzlei vertreten; darunter waren auch einige bekannte Namen aus New York. Die Prozessführung der Anklage war auf Konfrontation ausgelegt, komplex, zeitweise sogar ausgesprochen aggressiv. Mr. Patton French und seine kleine Kanzlei aus Biloxi führten einen beeindruckenden Feldzug gegen die Schwergewichte auf der Gegenseite.
    Miyer-Brack war ein Schweizer Pharmariese in Privatbesitz und unterhielt laut Aussage des amerikanischen Repräsentanten Beteiligungen in sechzig Ländern. 1998 hatte das Unternehmen bei einem Umsatz von 9,1
    Milliarden Dollar einen Gewinn von 635 Millionen Dollar gemacht. Ray brauchte allein eine Stunde, um die Aussage dieses Zeugen zu lesen.
    Aus irgendeinem Grund hatte Patton French die Klage wegen schuldhaft verursachtem Tod nicht bei einem ordentlichen Gericht eingereicht, an dem fast alle Prozesse durch Geschworene entschieden wurden, sondern beim Chancery

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