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Der Rikschamann

Der Rikschamann

Titel: Der Rikschamann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Schroeter
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aufgesaugte Regenwasser aus seinen Socken presste und die Schuhe flutete. Die graue Wand aus Gischt nahm der Umgebung einiges von ihrem Glamour. Trotzdem hätte Oleg unter normalen Umständen den Anblick der luxuriösen Anwesen auf dem waldreichen Höhenzug des Falkensteins genossen und dabei von dem Tag geträumt, an dem auch er es schaffen würde, sich dergleichen aus der Portokasse zu leisten.
    Keine Zeit für Träume. Nastja ist tot.
    Er kannte sie noch gar nicht so lange. Sechs, sieben Wochen vielleicht. Mit ihren Fünfzehn war sie fast noch ein kleines Mädchen gewesen, aus Olegs Sicht jedenfalls. Trotzdem hatte er sie von Anfang an für voll genommen, das ging gar nicht anders. Nastja war an der Wolga geboren, genau wie Oleg. Wolgadeutsche. Beutegermanen. So, wie sie aussah – ausgesehen hatte, machte sich Oleg schmerzlich bewusst – war für Nastja von vornherein mehr drin als ein Dasein zwischen Maloche, Wodka und Hartz IV. Doch der eigentliche Unterschied zu den meisten Anderen lag in ihr selbst: Der Wille, sich auf dem Weg nach oben höchstens mal bremsen, aber nie aufhalten zu lassen. Darin lag eine große Gemeinsamkeit zwischen ihr und Oleg. Das verband sie, und das verschaffte ihr Respekt bei Oleg, der ansonsten weitgehend respekt- und bindungslos mit jedem auch nur halbwegs ansehnlichen Mädchen flirtete, das nicht bei Drei auf den Bäumen war. Nastja dagegen hatte er nur einige Male freundschaftlich geküsst. Trotzdem, oder gerade deshalb, ahnte Oleg dumpf, dass ihm vielleicht niemals wieder eine Frau so nahe kommen würde wie Nastja.
    Das war auch sein erster Gedanke gewesen, als sein Entsetzen über den aus dem Beutel rollenden Schädel noch durch die Erkenntnis gesteigert wurde, wessen Schädel das war. Und dann hatte sofort der Fluchtreflex eingesetzt, von Oleg seit frühester Kindheit verinnerlicht: Bloß nicht auf die Bullen warten! Als Beutegermane trug man sowieso von Geburt an den Behördenstempel »Verdächtig«. Also rauf auf die Rikscha und ab durch die Mitte. Max würde das natürlich nicht verstehen, aber der kapierte eh immer weniger.
    Nur Minuten später begann der Klingelterror auf den Handys. Oleg schaltete beide Geräte ab – auch das Diensthandy. Zuvor aber hatte er noch einmal auf seinem privaten Handy Nastjas SMS von letzter Nacht gelesen:
    »Goldener Westen! Gelandet, :* N.«
    Ihm war klar, was sie damit meinte. »Goldener Westen« bedeutete in diesem Falle Piet West. Der Multi-Millionario. Oleg wusste, dass Nastja es auf den Popstar abgesehen hatte. Der Tipp, dass sich West als Stammgast im »Hell on Earth« herumtrieb, stammte sogar von ihm. Oleg reagierte keineswegs eifersüchtig auf Nastjas Interesse für West. Das war Geschäft, das verstand er vollkommen. Deswegen konnte er Nastja auch völlig ungezwungen in den Arm nehmen, als sie sich gestern Nacht im »Hell« vor ihrer Pirsch auf den Popstar begegnet waren. Dabei hatte Oleg durchaus registriert, wie Piet West angesichts dieser Umarmung fast die Augen aus dem Kopf fielen – und sich darüber köstlich amüsiert. Später konnte er auch miterleben, wie Nastja den alten Sack endgültig in Wallung brachte. Dann waren die beiden diskret verschwunden. Stunden später kam die SMS, und dann nichts mehr…
    Hatte West das Mädchen umgebracht? Einerseits konnte sich Oleg das kaum vorstellen, andererseits gab es ja alles. Sex, Alkohol, Eifersucht – da war genug im Spiel, was jede Sicherung durchbrennen lassen könnte. Aber köpfen und den Schädel ins Fleet werfen? Das passte nicht zu einem Typen, der sein Geld mit seichter Musik verdiente. Piet West war kein Sid Vicious. Piet West hatte eine Menge zu verlieren. Und deshalb war Oleg jetzt auf dem Weg zu ihm.
    Denn selbst wenn Piet West nicht Nastjas Mörder wäre – er war einer der Letzten, die sie lebend gesehen hatten. Ein Fressen für die Presse: Popstar vögelt geköpften Teenager! Fiese Unterstellungen, finstere Vermutungen, abstruse Theorien. Ganz schlecht fürs Geschäft. Es sei denn, es käme gar nicht erst heraus, was da gelaufen war. Außer Oleg wusste niemand von Nastjas Plänen bezüglich des Sängers. Er könnte die Presselawine ins Rollen bringen – oder die Klappe halten. Doch dafür würde West bezahlen müssen. Möglichst nicht nur einmal.
    Oleg lenkte das Gelbe Ungetüm in eine schmale Abzweigung. Hinter einem kleinen Wäldchen protzte ein wuchtiges Sandsteinportal mit kunstvoll verzierten Eisentoren. Das musste Westheims Anwesen sein. Ein Hosianna auf

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