Der Rikschamann
ich weiß auch, was mit ihr passiert ist!«
»Schon klar.« Jetzt zitterte nicht bloß Pieters Stimme. Das war einer von der Bande, ganz sicher. Wenigstens kam Bewegung in die Sache. »Wie viel?«
Er weiß genau, dass Nastja nicht mehr lebt! dachte Oleg elektrisiert. Das konnte nur eines bedeuten: Pieter Westheim ist ihr Mörder! Hass stieg heiß in ihm auf, und er spürte, wie sich seine Muskeln anspannten. Das Schwein sitzt direkt vor mir, wir sind hier allein… Im letzten Moment unterdrückte er seine Rachegefühle und zwang sich zur Ruhe. »Gleich. Erst geben Sie zu, was Sie getan haben!«
Pieter zeigte sich so überrascht, dass er sogar das Zittern vergaß. »Wieso? Bist du verkabelt oder was?«
Oleg schüttelte nur stumm den Kopf, ohne Westheim aus den Augen zu lassen.
»Na ja – wäre auch egal. Deutlicher als damit kann man es ja wohl kaum sagen…« Schulterzuckend lupfte Pieter den großen Briefumschlag. »Das mit dem Finger musste echt nicht sein. Es hätte wirklich gereicht, mir das Foto zu schicken.«
Mit ein paar schnellen Schritten stand Oleg am Schreibtisch. Ein abgeschnittener Finger, registrierte er entsetzt – Nastjas Finger! Wenn man den an Westheim geschickt hatte, bedeutete das: Es gab noch mindestens einen Mitwisser im Spiel. Was jetzt? Seine Gedanken überschlugen sich. Der säuerliche Gestank im Raum benebelte allmählich seine Sinne. Hier am Schreibtisch roch es noch schlimmer.
»Hier stinkt’s«, bemerkte Oleg mit trockener Kehle.
Pieter raffte sich auf, schnappte sich den vollgekotzten Papierkorb, öffnete das Fenster hinter sich, schmiss den Korb hinaus in den Garten und zog das Fenster wieder zu. Oleg betrachtete das Foto – Nastja und Westheim in tödlicher Umarmung, ein kaum zu ertragendes Bild.
»Und wie geht’s jetzt weiter?«
Das fragte sich Oleg auch. Pieter Westheim beobachtete ihn jetzt ganz genau. Ich könnte die Polizei rufen, dachte Oleg. Nastjas Mörder ist überführt. Piet West, diesen verfetteten Sack, nagle ich hier locker fest, bis die Bullen da sind. Dann kriegen sie dieses Foto und alles ist gelaufen. Aber dann ginge er leer aus. Nastja hätte sowieso nichts mehr davon, dass Westheim hinter Gittern säße. Nimm, was du kriegen kannst – so hätte sie es selbst gesehen. Nie wieder Kleinscheiß.
»Wir machen einen Deal.«
Westheim lachte bitter. »Sag’ ich ja. Also wie viel?«
Ursprünglich hatte Oleg damit gerechnet, ein paar Tausender zu ergattern. Da war er allerdings nicht davon ausgegangen, einen Mörder zu decken.
»Eine Million. In bar.«
Westheim verzog keine Miene. »Und in einem Monat steht ihr dann wieder auf der Matte.«
Einen Sekundenbruchteil später befand sich Pieters Gesicht, gezwungen vom eisenharten Klammergriff Olegs, knapp einen halben Zentimeter über dem abgetrennten Zeigefinger. »Bilde dir nicht ein, hier irgendwas verhandeln zu können!« zischte Oleg, der seiner Wut endlich freien Lauf ließ und den Schraubstockgriff noch verstärkte.
Pieter stockte der Atem vor Schmerz. Der Anblick des Leichenfingers in Nahaufnahme schockierte ihn zusätzlich. »Ja… schon gut… ich zahle!« keuchte er. Ihm knickten bereits die Knie ein, als sich der Schraubstock in seinem Nacken endlich etwas lockerte.
Oleg schüttelte den kreidebleichen Popstar noch einmal kräftig durch, dann ließ er ihn los. Sein Gewaltausbruch tat ihm gut. Er hätte West gleich ein paar an die Backen geben sollen.
Pieter rieb sich das schmerzende Genick. Er war sicher, seine Halswirbel knacken gehört zu haben. Sein Gegenüber sah ungerührt zu, wie er vorsichtig den Kopf hin- und herbewegte. Diese plötzlich wieder zur Schau getragene Gelassenheit bei Oleg ängstigte Pieter fast mehr, als wenn er weiter gewütet hätte.
»Natürlich hast du hier keine Million rumliegen«, stellte Oleg ruhig fest. »Ich gebe dir 24 Stunden. Dann kriegst du von mir genaue Anweisungen, wie wir den Deal abwickeln. Am Besten also, du organisierst die Kohle so schnell wie möglich. Bis morgen Abend! Kapiert?«
Pieter nickte bereitwillig. Das tat weh – bestimmt ein Schleudertrauma oder so was. Pieter sah sich schon wochenlang mit Halskrause herumlaufen. Aber das wäre wohl sein kleinstes Problem. Hauptsache, dieser brutale Schläger verschwände erst mal. Leider sah es noch nicht danach aus. Der Kerl stand da, Arme verschränkt, Bizeps wie Popeye nach drei Dosen Spinat, die Augen ohne jede Regung. Früher hätte so ein Typ beim KGB Karriere gemacht, dachte Pieter. Als
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