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Der Rikschamann

Der Rikschamann

Titel: Der Rikschamann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Schroeter
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führte nach rechts, zurück zum »Witthüs« – leider bergauf. Da kriegen sie uns, dachte Max. Bergauf käme er nie auf Touren, schon gar nicht mit der dicken Elke auf der Bank. Also bergab, mit Karacho!
    Max schob sein Gefährt mit ein paar schnellen Schritten an wie beim fliegenden Bobstart und sprang auf den Sattel der rollenden Fuhre. Ein Stück hinter ihnen schleuderte das Verfolgerfahrzeug mit jaulendem Motor und 90-Grad-Kehre auf den Sandweg. Die Rikscha nahm volle Fahrt auf, Max’ kräftige Pedaltritte peitschten das Gelbe Ungetüm weiter ins Gefälle. Wenigstens schien jetzt verschämt der Mond durch ein paar Wolkenlücken, sonst hätte er überhaupt nichts gesehen. Die Sicht war aber immer noch schlecht genug. Er griff automatisch am Lenker nach vorn – ins Leere. Der LED-Strahler fehlte.
    »Max! Der hat uns gleich!« warnte Elke.
    Max brauchte nicht den Kopf zu wenden, um zu wissen, wie recht sie damit hatte. Der Lichtkegel des Offroaders leckte an der Rikscha und reichte viel zu bald weit darüber hinaus hinaus, ihnen blieben höchstens noch Sekunden bis zum Zusammenstoß. Wenigstens beleuchtete der Wagen damit auch den Weg, und so erkannte Max knapp voraus eine Abzweigung, die den Hauptweg in Richtung Elbe verließ – mit verschärftem Gefälle. Er riss die Rikscha in die Abzweigung, bekam so eben die Kurve und setzte die wilde Jagd ungebremst fort. Der Wagen hinter ihm planierte ein paar Büsche, schaffte den jähen Kurswechsel jedoch ebenfalls. Das Gelbe Ungetüm raste jetzt so schnell dahin, dass sich ihr Tempo nicht mehr durch Pedalarbeit steigern ließ. Es galt bloß noch, leerlaufstehend im Sattel zu bleiben.
    »Halt an!«
    Elke sah das Gleiche wie er: Der Weg vertiefte sich zu einer Art Rinne, einem Hohlweg mit beiderseits ansteigender Böschung – und verschwand in einem erschreckend niedrigen, backsteingemauerten Portal. Ein Tunnel! Max stand plötzlich das Bild vor Augen, wie er vor ein paar Jahren mit einer Tanzstundenbekanntschaft im Hirschpark gewesen und exakt durch diesen Tunnel gelustwandelt war. Bettina aus Othmarschen. Sie hatten sich einen Spaziergang lang verlegen angeschwiegen und danach nie wieder gesehen. Besonders peinlich war es in diesem Tunnel gelaufen, weil sie so dicht nebeneinander gehen mussten – die Röhre war gerade breit genug für zwei Leute. Wie sollte das Gelbe Ungetüm da durch? Anhalten? Keine Chance…
    »Kopf runter!«
    Max hoffte nur, dass Elke ihn verstand und richtig reagierte. Umsehen konnte er sich jetzt nicht nach ihr. Knapp hinter sich hörte er blockierte Reifen über den Waldboden schlittern, der Schweinwerferkegel schwenkte plötzlich nach rechts und der Offroader polterte die Seitenböschung hoch.
    Abgehängt.
    Und gleich kann man uns von der Wand kratzen, dachte Max und beugte sich tief über den Lenker. Genau auf die Mitte halten, beschwor er sich – da schlug das Gelbe Geschoss im Tunnel ein. Einen Moment lang Finsternis und Raserei, dann bremste hochfrequentes, metallisches Schmirgeln die Rikscha ein wenig ab, Funkenregen blitzte auf. Luke Skywalker im X-Wing, Flügel auf Angriffsposition, finaler Angriff auf den Todesstern, alles im Blitzgewitter der Bordkanonen imperialer Jäger. Die Rikscha wurde immer langsamer. Max riskierte einen Blick zurück: Die äußeren Radmuttern der Hinterräder frästen links wie rechts über die Tunnelwand, einen doppelten Funkenschweif aus dem Stein schlagend. Bloß nicht stecken bleiben! Das wäre das Ende. Die Rikscha stand schon fast, als Max endlich auf die Idee kam, sich wieder in die Pedalen zu stemmen…
    Und dann waren sie durch.
    Hinter dem Tunnel führte der Weg parallel zur Anhöhe, die sie eben unterquert hatten. Über ihnen schimmerte ein Stück freier Himmel und tief unten am Fuße des Uferhangs glitt friedlich ein massiges Containerschiff auf der Elbe in Richtung Nordsee, beleuchtet wie ein Weihnachtsbaum.
    »Bist du okay?« erkundigte sich Max – da brachen auf der Anhöhe über ihnen zwei dunkle Gestalten durchs Unterholz. Einer bewegte sich nach links, der andere nach rechts. Die Verfolger gaben noch nicht auf! Sie würden auf kürzester Strecke nach unten zum Weg laufen und ihnen so die Fluchtmöglichkeit abschneiden. Durch den Tunnel zurück käme die Rikscha nicht. Zu Fuß würde Max es wahrscheinlich schaffen, aber Elke…
    Links der steile Uferhang, rechts die Anhöhe. Max kannte nur einen Weg aus der Klemme: Die Treppe. Die Hirschparktreppe hinunter zum Elbuferweg. Und die musste er

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