Der Rikschamann

Titel: Der Rikschamann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Schroeter

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erleuchtete Fenster würden sich jetzt ganz nett machen. Stattdessen herrschte ägyptische Finsternis.
    Und wo blieb Oleg?
    »Bleib in Deckung«, hatte Oleg ihn am Telefon aufgefordert. Nein – gefleht hatte er! Max verharrte hinter dem knorpeligen Stamm einer Eiche und hielt Ausschau. Sein alter Armeeparka war so gut wie eine Tarnkappe, im Dunkeln sowieso. Einen surrealen Augenblick lang fühlte er sich wieder wie der zwölfjährige Max, der sich wie Luke Skywalker in geheimer Mission fühlte. Dagobah, der Dschungelplanet. Exotische Pflanzen, von denen das Wasser tropfte. Trügerische Stille und unter dem Sumpf lauernde Ungeheuer. Gleich vernähme man den röchelnden Atem Darth Vaders, dann stünde man sich auch schon gegenüber, die Faust am Knauf des Lichtschwerts.
    Showdown am Ende der Galaxis.
    Wwwwph! Wwwwwwph! Bzzzzz!
    Gekreuzte Energiestrahlen, Finten, vor und zurück, bis zur totalen Erschöpfung, bis das Lichtschwert wieder zum trockenen Ast oder abgebrochenen Besenstil mutierte und Darth und Luke nach Hause mussten, weil die Straßenlampen angingen. Max hatte sich damals nie in die Heldenrolle des jungen Skywalker gedrängt. Es ergab sich zwangsläufig, weil Oleg sowieso immer Darth Vader sein wollte. Der machte alle fertig mit seiner Maske und der Röchelnummer, das fand Oleg total geil. Nur die Abhängigkeit Vaders vom Bösen Imperator fand Oleg total ungeil, weshalb diese Figur in ihrem Spiel auch nie vorkam. Max erinnerte sich noch gut an Olegs Enttäuschung, als sie zusammen im Kino den letzten Teil der ersten Star-Wars-Trilogie gesehen hatten, wo Luke dem sterbenden Vader die Maske abnahm und bloß das mildlächelnde Gesicht eines alten Mannes mit krassen OP-Nähten zum Vorschein kam. »So sieht der nie im Leben aus!« hatte Oleg steif und fest behauptet und sich »Die Rückkehr der Jedi-Ritter« – im Gegensatz zu den anderen Folgen – kein zweites Mal angesehen. Und wenn Oleg das behauptete, dann galt es, da konnte sich George Lucas auf den Kopf stellen. Oleg lebte konsequent in seiner eigenen Wirklichkeit.
    Das hatte Max immer an dem Freund fasziniert: Diese Unzerstörbarkeit der Illusionen, die Oleg dennoch verwundbar machten in den Augen aller anderen, die das nicht als Tugend betrachteten, sondern als bloße Spinnerei. Ausgerechnet der überlegte, vernunftorientierte Max stellte sich gegen solche Kritik stets an Olegs Seite.
    Früher.
    Skywalker rematerialisierte sich wieder zu dem jungen Mann mit dunklen Strubbelhaaren und braunen Augen in einem schmalen Gesicht. Dagobah wurde wieder zum nachtdunklen Hirschpark.
    Kein Oleg weit und breit. Und, soweit es sich sehen ließ, auch niemand sonst. Einfach nach Oleg zu rufen, erschien Max wenig ratsam. Wenn Oleg so in Schwierigkeiten war, dass er sich nicht selbst heraushelfen konnte, dann steckte er offenbar böse in der Klemme.
    Max beschloss, ein Stück weit in den Park hinein zu gehen, sich dabei aber leise zu bewegen und möglichst jede Deckung zu nutzen. Der Weg gabelte sich. Max entschied sich für den abgelegensten Teil des Parks, den am weitesten von der Elbchaussee entfernten Bereich. Oleg verkriecht sich irgendwo, und das tut man schließlich dort, wo es am einsamsten ist, sagte sich Max.
    Es knackte weit hinten zwischen den Bäumen. Wind strich raschelnd durchs Laub, etwas Kleines huschte nur ein paar Schritte vor Max aufgescheucht über den Weg und verschwand im Dickicht. Über ihm wuselte etwas durch die Baumkronen. Ein Vogel? Oder ein Eichhörnchen? Max vermochte nicht alle Geräusche um sich herum richtig einzuordnen. Sein Biotop waren die Straßenschluchten der Großstadt. So ein Wald entsprach eher nicht seinem Revier.
    Das Hirschparkhaus befand sich längst außer Sicht, als Max hinter einem Baum verharrte. So wird das nichts, überlegte er. Bleibe ich in Deckung, damit ich nicht gesehen werde – dann sieht Oleg mich auch nicht. Und wenn er sich hier im Park versteckt, kann ich ihn lange suchen. Wir müssen miteinander Kontakt aufnehmen, aber ohne Lärm. Max entschied sich dafür, es mit dem Handy zu versuchen. Bestimmt hatte Oleg seinen Apparat stumm geschaltet, um jedes Aufsehen zu vermeiden.
    Er drückte Olegs Nummer. Es kam das normale Anrufsignal, sein Gerät war also nicht abgeschaltet. Es nahm allerdings auch niemand den Anruf an. Max wollte den Versuch bereits abbrechen, um doch noch ein Stück weiter zu gehen – da fiel ihm zwischen den Büschen ein kleines, schwaches Leuchten auf, vielleicht zehn Meter entfernt vom